Betrachtungen zur Luft- und Wasserhygiene

Die Hygienetagung Ende Januar 2017 hat zum vierten Mal den Stand der Technik beleuchtet und zeugt von der erfolgreichen Kooperation des SWKI und VDI. Einer der Höhepunkte war die Vorstellung des gerade erschienenen Gründrucks der VDI 6022 Blatt 1. Text: Stefan Mennel, SWKI

Bereits in seinen einleitenden Worten hielt OK-Präsident Benno Zurfluh fest: «Das steigende Interesse von Seiten Bauherrschaften und dem Facility-Management bekräftigt uns darin, dass das Thema «Hygiene» immer wichtiger wird.» Tatsächlich sei die Tagung noch nie so früh ausgebucht gewesen. Diesen Faden spann David Burkhardt im direkten Anschluss weiter und analysierte die Frage, welche Qualifikationen das Instandhaltungspersonal aufweisen muss. Burkhardts Fazit: «Es ist nun die Aufgabe der einzelnen Branchenverbände, die Verbindung zwischen den europäischen Standards (EQR) und den nationalen Standards (NQR) zu schaffen.»

Lufthygiene
Das Stichwort «Lufthygiene» löst oftmals als Reaktion aus: Aufpassen bei Luftbefeuchtung! Das beinahe 20-jährige BFE-Merkblatt wurde kürzlich erneuert [0]. Adrian Grossenbacher erläuterte das Merkblatt und hielt fest: «In den meisten Fällen ist die aktive Befeuchtung nicht notwendig.» Ist hingegen die Notwendigkeit der aktiven Befeuchtung nachgewiesen, so sollte diese korrekt erfolgen, vgl. [1].

Auf eine besondere Erfolgsgeschichte zum Thema Lufthygiene kann der VDI zurückblicken. Mit seiner Richtlinienreihe VDI 6022 prägt und dokumentiert er seit 1998 den Stand der Technik. Der Vorsitzende von Blatt 1, Andreas Winkens, stellte an der Hygienetagung erstmalig den Gründruck der VDI 6022 Blatt 1 vor [2]. Viele praktische Erfahrungen und Entwicklungen seien mit Hilfe der Fachkollegen des SWKI im Rahmen dieser dritten Überarbeitung eingeflossen. Er hielt dabei nochmals explizit fest: «Ich erachte eine Erstinspektion für selbstverständlich.» Abklatschproben für die Beurteilung der Zuluft-Qualität zu verwenden, sei eine untaugliche Methode. «Luftmessungen bilden hier den Stand der Technik, das ist allgemein anerkannt», so Winkens. Er rief eindringlich zur Einreichung von Stellungnahmen auf, was noch bis zum 30. April 2017 möglich ist [3].

Bereits 2013 wurde anlässlich der 2. Hygienetagung die Wichtigkeit der verwendeten Filterklasse für die Hygiene der RLT-Anlagen festgehalten [4]. Arnold Brunner, Obmann der SWKI VA101-01 und Leiter des Richtlinienausschusses VDI 3803 Blatt 4, schuf mit seiner Einschätzung der neuen Prüfnorm [5] eine Basis des Verständnisses der neuen Begriffe. Die Auswirkungen der Ablösung der alten Prüfnorm [6] hat weitreichenden Einfluss auf die bestehenden Regelwerke. «Die Experten-Arbeitsgruppe Luftfiltration hat deshalb einen «Übersetzungsschlüssel» vorgeschlagen», so Brunner, der aktiv daran mitgewirkt hat, mit den Kollegen vom VDI diesen Schlüssel zu erarbeiten [7].

Markus Maurer leitete sein Referat zum Betreiben und Instandhalten von RLT-Anlagen mit der nüchternen Feststellung ein: «Wenn Sie heute ein Auto kaufen, dann erhalten Sie automatisch ein dickes Serviceheft mitgeliefert.» Dies sei im Kontext von RLT-Anlagen heute leider nicht üblich. Hier schliesst die in Aussicht gestellte Richtlinienreihe SWKI BT104 «Betreiben und Instandhalten von gebäudetechnischen Anlagen» eine wichtige Lücke. Erstmalig werde für Planung, Erstellung, die Eigentümer und das Facility- oder Gebäude-Management ein in sich geschlossenes Dokument erarbeitet, welches ergänzt durch eine Web-Applikation die direkte Erarbeitung von Instandhaltungsplänen ermöglicht [8], so Maurer.

Wasserhygiene
Zweifellos wird Trinkwasser als das wichtigste Lebensmittel für den Menschen betrachtet. Mit der Verabschiedung des neuen Lebensmittelgesetzes im Jahr 2014 gilt es nun auch als Gebrauchsgegenstand und es wurde um Höchstwerte für mikrobiologische Parameter ergänzt. Denn das Auftreten der diagnostizierten Fälle von Legionellose nimmt in der Schweiz seit Jahren kontinuierlich zu – von jährlich etwa einem Fall in den 1990ern hin zu ungefähr vier Fällen pro 100’000 Einwohnern und Jahr im laufenden Jahrzehnt. Pierre Studer analysierte in seinem Beitrag die Höchstwerte für Legionellen in öffentlichen Bädern und im Duschwasser öffentlicher Gebäude: «Längerfristig sollten diese Bestimmungen bewirken, dass das Auftreten von Legionellosen zurückgeht.»

Der Mikrobiologe Frederik Hammes beleuchtete in seinem Referat die Messtechnik für Trinkwasser und unterzog die Aussagekraft der Resultate einer kritischen Würdigung. «Gemessen werden lediglich die im Wasser gelösten Organismen – 99 Prozent der Bakterien in Trinkwassersystemen befinden sich jedoch im Biofilm.» Das Ziel müsse deshalb sein, die gesamte Menge Mikroorganismen zu begrenzen und die Ausbreitung von Krankheitserregern zu verhindern. Dafür werden verlässliche Messmethoden benötigt, wobei Hammes hinzufügt, dass die seit dem späten 19. Jahrhundert verwendete Plattierung weniger als 0,1 Prozent der Trinkwasserbakterien detektiert. Hammes in seinem Schlussvotum: «Hygiene muss als system- und nicht als organismusorientiertes Konzept verstanden werden.»

Als Spezialist des Gas- und Wasserfaches griff Cosimo Sandre die Voten seiner Vorredner auf und führte aus, worauf für eine hygienisch einwandfreie Inbetriebnahme von Trinkwassersystemen geachtet werden muss. So sollte bei der Befüllung der Anlage ein Filter verwendet werden, das die Erstbesiedelung verringert und es müssen saubere Pumpen und trinkwassertaugliche Schläuche verwendet werden. Aktuell diskutiert die Arbeitsgruppe «Strategie Hygiene in Trinkwasserhausinstallationen» geeignete Verfahren, welche auch auf Herausforderungen der realen Bauabläufe und Stagnationsphasen Antworten liefern sollen.

Eine umfassende Analyse der möglichen Quellen von Wasser-Aerosolen bot Irina Nüesch vom Amt für Verbraucherschutz des Kantons Aargau. «Was die Lebensmittelhygiene für das Verdauungssystem, ist die Lufthygiene für die Lunge», führte Nüesch aus. Dabei sind Wassertröpfchen mit einer Grösse unter fünf Mikrometern (5 mm) entscheidend. Heikel sind Situationen, in denen man sich unbewusst exponiert (wie z. B. im Tropenhaus oder einem Hammam). «Es ist deshalb speziell auf eine hygienegerechte Planung zu achten, so dass optimale Voraussetzungen für den sicheren Betrieb geschaffen werden», so Nüesch. Die von ihr diesbezüglich präsentierten Aspekte von Planung und Betrieb weisen faszinierende Parallelen zu den Strategien der VDI 6022 auf und sind im Tagungsband dokumentiert.

Weitere Informationen:
www.swki.ch/hygienetagung2017

Das Datum der 5. Schweizer Hygienetagung steht bereits fest: 25. Januar 2019.

Literaturhinweise

[0] BFE: Luftbefeuchtung – Merkblatt für Fachleute der Lüftungsbranche, der Architektur und des Gebäudebetriebs; Bern, November 2016 (www.bundespublikationen.admin.ch)

[1] SWKI: Richtlinie 95-1 Luftbefeuchtung in lüftungstechnischen Anlagen; Schönbühl, Dezember 1996

[2] VDI: VDI 6022 Blatt 1 (Entwurf) Hygieneanforderungen an raumlufttechnische Anlagen und Geräte (VDI Lüftungsregeln); Düsseldorf, Januar 2017

[3] VDI-Richtlinien-Einspruchsportal, online: www.vdi.de/einspruchsportal

[4] Ganz R: Hygienezustand von raumlufttechnischen Anlagen in der Schweiz; Luzern, Januar 2013 (www.swki.ch/hygienetagung2013)

[5] ISO 16890-1 Luftfilter für die allgemeine Raumlufttechnik – Teil 1: Technische Bestimmungen, Anforderungen und Effizienzklassifizierungssystem basierend auf Feinstaub (PM); Brüssel, 2016

[6] EN 779 Partikel-Luftfilter für die allgemeine Raumlufttechnik – Bestimmung der Filterleistung; Brüssel, 2012

[7] VDI-SWKI-Expertenarbeitsgruppe: ISO 16890 ersetzt EN 779: Filterleistung neu nach Feinstaubfraktionen beurteilt – Empfehlung der VDI-SWKI-Expertenarbeitsgruppe Luftfiltration für die neuen Filterklassen; Düsseldorf und Bern, 7. November 2016

[8] Vernehmlassung SWKI BT104: Betreiben und Instandhalten von gebäudetechnischen Anlagen, Teil 1: Grundlagen sowie Teil 2: Lüftungs- und Klimaanlagen; demnächst: www.swki.ch/vernehmlassung