Ein praktikables Modell, wie eine Trinkwasserinstallation vom Hauseingang bis zur Zapfstelle bzw. Auslaufarmatur geplant, ausgeführt und gewartet sein soll, damit eine hygienisch einwandfreie Wasserqualität gewährleistet ist, stellt das Nussbaum Trinkwasser-Hygienekonzept dar, das von den beiden Experten Urs Bobst und Patrik Zeiter erläutert wird. Text: Jean Haag

Was war der Anlass, ein Trinkwasser-Hygienekonzept zu erarbeiten?
Urs Bobst: Im Trinkwasserbereich steht das Thema Hygiene zunehmend im Fokus. Auch liegen neue Erkenntnisse bezüglich Stellenwert von bekannten Einflussgrössen vor. Die Einhaltung der Anforderungen gemäss TBDV sind speziell in grossen Gebäuden nicht einfach. Es gibt dafür zum Teil sehr komplexe Lösungsansätze, die in der Praxis nicht oder nur mit erheblichem Aufwand zu realisieren sind.
Welchen Zweck erfüllt das Konzept?
Urs Bobst: Das Nussbaum Trinkwasser-Hygienekonzept hat den Zweck, praxisgerechte Lösungen aufzuzeigen und die richtigen Produkte zur Bewahrung einer einwandfreien Trinkwasserqualität zu definieren. Dabei kann auch weniger mehr sein. Da unsere grundsätzlichen Aussagen für alle Objekte gelten, wird die Komplexität für Planer und Ausführende reduziert, und der Bauherr erhält eine auch nach hygienischen Gesichtspunkten sichere Installation.
Patrik Zeiter:
Es wird heute eine Vielzahl von Geräten für die Behandlung des Trinkwassers bzw. zur Spülung des Leitungsnetzes angeboten. Im Prinzip sind diese aber nicht nötig, wenn die elementaren Regeln der Planung und Ausführung befolgt werden. Jede zusätzliche Investition ist weder wirtschaftlich noch nachhaltig, wenn ebenso gut darauf verzichtet werden kann.
Auf welchem Prinzip basiert das Hygienekonzept?
Urs Bobst: Das Hygienekonzept ist ein dreistufiges Modell mit logischen Teilschritten, die in der Summe zu einer hygienisch einwandfreien Trinkwasserqualität führen. Hält man sich daran, ist man auf der sicheren Seite und es sind keine zusätzlichen Massnahmen nötig. Deshalb sagen wir auch, dass bei uns die Anlage das Konzept ist.
Können Sie die einzelnen Stufen kurz umschreiben?
Patrik Zeiter: Auf der ersten und wichtigsten Stufe geht es um die Vermeidung des Nährstoffeintrags. Damit verbunden ist die richtige Wahl des Materials, das mit Trinkwasser in Kontakt kommt. In der nächsten Stufe müssen als Zusatzbedingungen die Temperaturen gemäss SIA-Richtlinien (SIA 385/1) eingehalten und Kalt- und Warmwasser thermisch getrennt werden. Letztlich ist auch die Stagnation in gebührender Weise zu berücksichtigen.

Zu welchen Materialien raten Sie?
Urs Bobst: Im Keller und in der Steigzone sollten es metallische Werkstoffe sein, auf der Etage Kunststoffrohre im Einzelzapfstellen-System, selbstverständlich alle durchflussoptimiert. Auf Nussbaum bezogen heisst dies, Optiarmatur in der Hauswasserzentrale, Optipress-Aquaplus im Keller und in der Steigzone sowie Optiflex mit Optiflex-Profix in der Etagenverteilung.
Worauf ist bei der thermischen Trennung zu achten?
Patrik Zeiter: Speziell beachtet werden sollte die thermische Trennung in der Steigzone. Dafür sprechen auch die zunehmenden Verkeimungsrisiken im kalten Trinkwasser bei Stagnation. Kalt- und Warmwasserleitungen in geringem Abstand führen zu unerwünschten Temperaturübergängen. Ideal ist daher die getrennte Schachtführung für Leitungen, die Kaltwasser bzw. warme Medien transportieren. Auf der Etage kann mittels UP-Box die thermische Trennung realisiert werden. Kaltwasser darf auch in der Feinverteilung nicht durch Wärmequellen wie Fussbodenheizungen beeinflusst werden.
Urs Bobst: Auf der Etage werden Warmwasserleitungen nicht gedämmt, damit die Auskühlung rasch erfolgen kann. Nicht optimal sind wegen der thermischen Querbeeinflussung bzw. der thermischen Brücken beim Mischer T-Stück-Installationen bzw. durchgeschlaufte Trinkwasserleitungen.
Für Planer und Ausführende wird die Komplexität reduziert, und der Bauherr erhält eine nach hygienischen Gesichtspunkten sichere Installation.
Abgesehen von den Materialien und der thermischen Trennung, wovon hängt weiter eine sichere und hygienisch einwandfreie haustechnische Trinkwasserverteilung ab?
Patrik Zeiter: Dazu gehören die korrekte Erstbefüllung sowie die Trockenprüfung. Bei der Erstbefüllung dürfen keine pathogenen Mikroorganismen eingeschleppt werden. Zudem sind die Anschlüsse von anderen Wasserkategorien wie diejenigen zu einem Pool nach der SVGW-Richtlinie auszuführen, und Löschleitungen müssen nach den Regeln der Technik angeschlossen werden.
Wie sollen Erstbefüllung und Inbetriebnahme erfolgen, damit es zu keiner mikrobiologischen Kontamination kommt?
Patrik Zeiter: Vor der Befüllung der Trinkwasserinstallation muss die Hausanschlussleitung ausreichend gespült werden. Aus hygienischen und praktischen Gründen empfehlen wir die Dichtheitsprüfung mit Luft bei einem Prüfdruck von 15 kPa (150mbar), weil danach bei dieser Methode kein stagnierendes Wasser oder Frostschutzmittel in den Rohbauleitungen vorhanden ist (W3/E3). Nach der Erstbefüllung bzw. Inbetriebnahme kann die Endprüfung mit Trinkwasser unter Betriebsdruck vorgenommen werden (Prüfverfahren A). Dies hat innerhalb 72 Stunden vor dem bestimmungsgemässen Betrieb zu erfolgen.
Warmwasser soll kontinuierlich auf 60 Grad erwärmt werden. Gibt es dadurch nicht einen Zielkonflikt zwischen Energiesparen und Wasserqualität?
Urs Bobst: Der Wärmebedarf für Warmwasser ist zu einem erheblichen Teil am Energieverbrauch eines Privathaushalts beteiligt. Für einen Vierpersonen-Haushalt sind es im Jahr durchschnittlich 3’500 kWh. Dank besseren Gebäudestandards hat sich das Verhältnis zur Raumwärme markant verändert. So entfallen in einem Minergie-P-Gebäude über 70 Prozent des Gesamtwärmebedarfs auf Warmwasser. Umso wichtiger ist eine energieeffiziente Warmwasserbereitung. Zum Beispiel können mit einer Wärmepumpe im Vergleich zur Warmwasserbereitung über eine konventionelle Heizungsanlage bis zu zwei Drittel Energie eingespart werden. Eine Absenkung der Speichertemperatur unter 60 Grad ist aber aus hygienischer Sicht kritisch und nicht empfehlenswert, denn Untersuchungen zeigen, dass für Legionellen erst ab 55 Grad kaum mehr Überlebenschancen bestehen. Elektronische Zirkulationsventile im Rücklauf sorgen dafür, dass bei einem Warmwasser-Zirkulationssystem der Soll-Wert im gesamten Kreislauf konstant ist.
Stagnation lässt sich in einer Trinkwasserinstallation nie ganz vermeiden. Wodurch können die Risiken minimiert werden?
Urs Bobst: Stagnation in Trinkwasser-Verteilsystemen ist eine bekannte Erscheinung. Die optimale Dimensionierung in den Verteilleitungen und die bewusste Planung von Ausstossleitungen (9-Meter-Regel) reduzieren aber das Risiko deutlich. Nach Abwesenheiten sollte man das Wasser kurz aus der Zapfstelle ausfliessen lassen, um es in optimaler Qualität geniessen zu können. An diese Verhaltensweise haben sich die Nutzer gewöhnt.
Patrik Zeiter: Die Stagnation ist nicht per se schlecht. Wasser lässt sich unter hygienischen Bedingungen, etwa in einem sauberen Metallbehälter, lange aufbewahren, ohne an Qualität einzubüssen. Jedoch kann der Aufenthalt in Kunststoffbehältern kritisch sein und zu Beeinträchtigungen hinsichtlich Geruch und Geschmack führen, weshalb der Wasserinhalt aus Kunststoffleitungen und Duschschläuchen ausgestossen werden muss.
Komplett bleifreie Installationen sind heute möglich.
Eignet sich das Hygienekonzept auch für spezielle Objekte wie Spitäler, Hotels, Schulen oder Pflegeheime? Inwiefern sind Anpassungen erforderlich?
Urs Bobst: Auch spezielle Objekte werden durch das Hygienekonzept abgedeckt, da seine Grundregeln überall gelten. Optimal für hohe Hygienesicherheit sind metallischen Werkstoffe wie Edelstahl 1.4521 und bleifreier Rotguss. In hygienisch kritischen Objekten wie Spitälern wäre Edelstahl bis zur Zapfstelle angebracht. Dort sollte auf Duschschläuche verzichtet und die Brause direkt an der Edelstahl-Leitung angebunden werden. Mit der neusten Entwicklung von Rotguss sind komplett bleifreie Installationen möglich.
Patrik Zeiter: Wenn die Verwendung von Kunststoffrohren unabdingbar ist, aufgrund der Flexibilität etwa, ist die SVGW-Zulassung zentral. Dabei wird geprüft, ob die Migrationswerte eingehalten werden. Wichtig ist auch, durchflussoptimierte Systeme zu wählen, damit nur so gross wie nötig dimensioniert werden muss und eine optimale Fliessgeschwindigkeit erreicht wird. In besonderen Fällen bei Nichtwohnbauten wie Schulen oder Bürogebäuden mit dezentralen Räumen empfehlen wir den Einsatz von Kleindurchlauferhitzern, weil diese nur bei Bedarf Wasser erwärmen.
Sind automatische Spülsysteme im Rahmen des Nussbaum Trinkwasser-Hygienekonzepts kein Thema?
Urs Bobst: Sie sind in Standard-Objekten kein Thema, auch deshalb, weil automatische Spülsysteme den notorischen Kontaminationsquellen nicht beikommen, da sie an neuralgischen Punkten wie Strahlreglern am Zapfhahn, an Duschschläuchen oder Brausen keine Wirkung entfalten. Messungen zeigen, dass diese Stellen bedeutende Quellen für unerwünschte Mikroorganismen sind. Muss aus betrieblichen Gründen ein grösserer Leitungsabschnitt periodisch gespült werden, ist die zeitgesteuerte Stellantriebs-Einheit Easy-Matic die naheliegende Lösung.
Was empfehlen Sie hinsichtlich Service und Unterhalt der Trinkwasserinstallation?
Urs Bobst: Die ordnungsgemässe Wartung einer Trinkwasser-Installation gehört in unserem Modell zur ersten Stufe, hat also entsprechende Priorität. Mit einer regelmässigen Wartung von Filter- und Enthärtungsanlagen wird ein unerwünschter Nährstoffeintrag in das Verteilsystem verhindert. Die vorschriftsgemässen Kontrollen von Sicherheitsarmaturen wie Systemtrennern BA gelten der Vermeidung einer Kontamination der Trinkwasserinstallation mit verschmutztem oder von Chemikalien belastetem Wasser.
Patrik Zeiter: Eine Installation nach dem Nussbaum Trinkwasser-Hygienekonzept ist in sich funktionsfähig und langfristig stabil. Sie beruht auf solider Handwerkstechnik, erfüllt alle gesetzlichen Vorgaben, Verordnungen, Normen und Richtlinien und ist nach neusten Erkenntnisse konzipiert. Sodann bleibt sie auf das Wesentliche beschränkt und kommt prinzipiell ohne Zusatzgeräte aus. Wenn es zur Einhaltung spezieller Vorgaben einer Überwachung bedarf, empfehlen wir die Verwendung von Probeentnahme-Ventilen. Diese Ventile müssen an strategischen Stellen platziert werden wie beispielsweise am Ausgang des Warmwasser-Speichers.
Weitere Informationen über das Nussbaum Trinkwasser-Hygienekonzept gibt es auf www.nussbaum.ch und am Swissbau Stand von Nussbaum (Halle 2.2 / Stand K52).