Nichts gegen die private Sauna-, Whirlpool- und Wellnesslandschaft. Sie bringt, gerade in Zeiten von Corona, eine hochwillkommene Ergänzung zum etwas eintönigen Alltag. Doch die ganz profane WC-Schüssel birgt ebenfalls viele Innovationen, wie Beispiele aus Gelsenkirchen und Rapperswil zeigen. Text: Otmar Humm
An Innovationen fehlt es in der Sanitärtechnik nicht. Doch vielfach ist das Kosten-Nutzen-Verhältnis ungenügend, um den Sprung in den Markt zu schaffen. Beispiel dafür ist der Vorschlag von Joachim Indermaur, damals Student an der Hochschule Rapperswil, die Toilettenspülung vom Papierverbrauch bei der WC-Nutzung abhängig zu machen. Der clevere Student des Studiengangs «Energie- und Umwelttechnik» hat festgestellt, dass die Zweitastenspülung wenig bringt, gerade mal 11 Prozent Wassereinsparung. Der Grund: Die WC-Nutzerschaft drückt aus Versehen oder aus Gewohnheit die grosse Taste, obwohl nur ein «kleines Geschäft» stattfand. Rein rechnerisch müsste bei konsequenter Anwendung der Zweitasten-Armatur eine Wassereinsparung von 35 Prozent resultieren. Durch Messung des Papierverbrauchs konnte Indermaur die grossen WC-Chargen von den kleinen trennen. Möglich machte das ein Laufrad an der Papierrolle, das den Verbrauch an das Spülventil meldet.
Keine Peanuts
Indermaurs Idee ist nur auf den ersten Blick skurril. Denn jeder WC-Nutzer in der Schweiz verbraucht pro Tag 40 Liter Wasser, im Jahr 14 m3. Auf die Schweiz hochgerechnet sind das 112 Mio. m3. Davon könnten 35 Prozent oder 40 Mio. m3 eingespart werden – jedes Jahr. Wer davon ausgeht, dass es in unserem Land genug Wasser gibt, sollte beachten, dass mit diesen Wassermassen Tausende von Pumpen und Ventile, Steuerungen und Rohrleitungen beschäftigt sind. Allein der umbaute Raum der Wasser-Reservoirs kostet in der Wartung und in der Instandhaltung Millionen von Franken.
Mindestens 2 Gallonen
Die 40 Liter Spülwasser benötigt der Durchschnittsnutzer bei 6 Besuchen auf der Toilette, was einem mittleren Bedarf von knapp 7 Litern entspricht. Also wesentlich mehr als die seit Ende der 90er-Jahre üblichen 4,5 respektive 3 Liter je Spülgang. Noch in den 80er-Jahren waren 9 Liter Standard, eine Anlehnung an den Richtwert des englischen Parlamentes von 2 Gallonen, also knapp 8 Liter. Weiter als die 3-/4,5-Liter-Charge wollen weder die Behörden noch die Sanitärbranche mit dem Wassersparen gehen. Denn im Endeffekt führen die relativ trockenen Chargen zu Verstopfungen von Abwasserleitungen, sodass die Kommunen und Entsorgungsbetriebe Wasser zuschiessen müssen, um hygienische Verhältnisse im Kanalisationssystem zu garantieren.
Marginalisierung der Sanitärtechnik?
Innerhalb der gebäudetechnischen Funktionen herrscht Konkurrenz. Jahrzehntelang haben Energie- und Umweltaspekte die Sanitärtechnik marginalisiert. Denn CO2 und Schadstoffe sind gewichtiger als das versteckte WC und die Dusche. In der Schweiz gibt es jedenfalls keinen Lehrstuhl an einer Hochschule, der sich mit Sanitärtechnik befasst. Zu Unrecht haftet der Branche das Image der «Röhrli-Bieger» an. Eine europaweite Ausnahme bildet die Hochschule Gelsenkirchen. Dort amtete Mete Demiriz 30 Jahre als Professor für Sanitärtechnik. Bekannt geworden ist Demiriz mit dem «Gelsenkirchener Pflaumenmustest», bei dem mit Früchtemus bis heute die Spülcharakteristik von WC-Schüsseln bewertet werden. Der Wissenschafter prognostizierte zudem, dass das Dusch-WC zum europäischen Standard wird, das Bidet also sozusagen in neuer Form ins Bad zurückkommt. Demiriz begründete dies damit, dass die Reinigung mit Wasser viel hygienischer sei, und «was besser ist, setzt sich langfristig durch».
Als Sanitärtechnik 4.0 bezeichnete Demiriz das höhenverstellbare WC. Ob die Sitzhöhe 40 cm, 42 oder gar 44 cm beträgt, ist für ältere Leute wichtig. Umgekehrt sprechen physiologische Gründe für einen tieferen Sitz. Vergleichbar einem Autositz memoriert das «intelligente» WC die individuelle Sitzhöhe und stellt diese auf die bevorzugte Position ein.
BIM in der Sanitärtechnik
Im NEST, dem Empa-Demonstrationsgebäude in Dübendorf haben zwei grosse Firmen der Installations- und Wartungsbranche ein neues Vorwandsystem eingebaut. Im Vergleich zu konventionellen Systemen sind allerdings kaum Unterschiede dokumentiert. Neu ist aber die durchgängige Digitalisierung, von der Planung über die Projektierung mit Stücklisten und Detailplänen bis zum Wartungsplan. Ziel war eine Lösung in «Open-BIM», also eine konsequent von der Software unabhängige Verwendbarkeit der Produkt- und Systemdaten. Denn häufig weichen die Firmen auf proprietäre Lösungen aus, die an die eigene Firma gebunden sind. Beteiligt waren, neben der Empa und den Fachplanern, die Nussbaum AG und die Engie Services AG. Die ersten Schritte wären nicht ganz einfach, doch das Potenzial in der Konfektionierung von Sanitärausrüstungen wäre immens, betonen die Beteiligten.
Schallschutz wieder aktuell
Die Benutzer von Nasszellen erleben Vorwandinstallationen lediglich als willkommene Ablage für Seife und andere Pflegemittel. Doch dieses seit Jahrzehnten übliche Anhängsel an eine meist tragende Wand ist Grundlage eines konsequenten Schallschutzes. Mit der neuen Norm SIA 181 «Schallschutz im Hochbau» steht genau diese Technik im Fokus der Sanitärbranche. Nach einer enorm langen Vernehmlassungsphase setzt der SIA die Norm vermutlich auf den 1. Januar 2021 in Kraft. Baubranche und Akustiker konnten sich nicht auf «erhöhte Anforderungen» einigen, die üblicherweise für neue Eigentumswohnungen gelten. Die Sanitärbranche stellt sich diesen Herausforderungen, wie das Beispiel eines grossen Komponentenherstellers zeigt: Mit dem Produkt «Silent-db20» ist vom Nachbarn nichts mehr zu hören, zumindest nicht mehr beim WC-Gang. Denn 20 Dezibel definieren die Hörschwelle. Selbst gute Armaturen erzeugen Schalleffekte um 38 dB, durch Optimierung lässt sich dies auf 25 dB senken. Wenig sinnvoll sind diesbezüglich 90-Grad-Bögen der Wasserleitungen, weil sich dadurch zu starke Strömungsgeräusche ergeben. Diese Unterschiede in den Dezibel-Werten sind gravierend, denn eine Erhöhung um 10 dB entspricht einer Verdoppelung des Schallpegels.
Mit der Sauna gegen Blei und Cadmium
Seit das «Archives of environmental contamination and toxicology» vor ein paar Jahren die Studie publizierte, wonach der menschliche Körper über den Schweiss 10-mal mehr Blei und Cadmium entsorgt als über den Urin, erlebt der Saunagang einen signifikanten Aufschwung. In ihrer 2019 veröffentlichten Untersuchung zur Resilienz weist Rebecca Böhme zudem nach, dass der Saunabesuch auch die psychische Widerstandkraft stärke. Und das Gottlieb-Duttweiler-Institut (GDI) verweist in ihrer Studie «Wellness 2030» auf die stärkere Verknüpfung von Wellness und Freizeit, was der Leser als eine Abkehr von der asketischen Leibesübung interpretieren darf. Doch die Gemeinschaftssauna ist in Corona-Zeiten kaum aktuell, ganz im Gegensatz zur privaten Wellnessoase. Die Frequenzen in öffentlichen Saunaeinrichtungen sind unabhängig von den gesetzlichen Auflagen stark zurückgegangen. Das bestätigt auch die Pressestelle des «weltgrössten Sauna-Verbandes», der deutsche Sauna-Bund. Vieles weist darauf hin, dass schon bald Eigentumswohnungen mit Saunas ausgerüstet werden. Für Saunaverächter könnte der Raum dann als Reduit oder Besenschrank dienen.