«Die Ziele der Energiestrategie sind realistisch»

Die Schweiz steht mit der Umsetzung der Energiestrategie 2050 vor grossen Herausforderungen. Wie geht ein Branchenverband wie die Fachvereinigung  Wärmepumpen Schweiz (FWS) diese an und welchen Beitrag kann sie leisten? Geschäftsführer Stephan Peterhans liefert die Antworten.  Interview: Oskar E. Aeberli, Fotos: zvg

 

Stephan Peterhans ist Geschäftsführer der Fachvereinigung Waermepumpen Schweiz FWS. Foto: zvg
Stephan Peterhans ist Geschäftsführer der Fachvereinigung Waermepumpen Schweiz FWS. Foto: zvg

Die Energiestrategie 2050 basiert auf drei wesentlichen Pfeilern, der Steigerung der Energieeffizienz, der vermehrten Nutzung erneuerbarer Energien und dem Ersatz von Kernkraftwerken. Welcher ist für die FWS von zentraler Bedeutung?
Stephan Peterhans: Das Wort «Energiestrategie 2050» ist für viele Leute ein «Unwort», weil diese nicht an die Notwendigkeit eines Paradigma-Wechsels glauben. Obwohl viele Wissenschaftler inzwischen mit Studien bewiesen haben, dass die Menschheit Einfluss auf das Weltklima nimmt. Trotzdem denken viele, dass die Gesellschaft mit dem Verbrauch von Ressource so weiterfahren kann, wie bisher und sich auf der Welt nichts Wesentliches ändern wird. Zur Frage: Es ist die Energieeffizienz und die Nutzung erneuerbarer Energien.

Wie ernst nimmt die FWS die Ziele der Energiestrategie und der Klimapolitik?
Die FWS nimmt die Ziele sehr ernst und hat die Möglichkeiten analysiert, wie sie mit der Wärmepumpentechnik einen namhaften Beitrag zu deren Erreichung beitragen kann. Es geht dabei um die Reduktion der CO2-Emissionen und um die Steigerung der Energieeffizienz. Somit sind CO2-Reduktion, die Steigerung der Energieeffizienz du die Nutzung der erneuerbaren Energie die drei zentralen Punkte.

Ziel der Strategie ist es, den Energieverbrauch pro Person bis 2020 um 3 Prozent und bis 2035 um 13 Prozent bezogen auf das Jahr 2000 zu reduzieren. Ist diese Zielsetzung realistisch?
Die Ziele sind technisch und volkswirtschaftlich absolut realistisch. Das BFE hat eine Studie der Gebäudetechnikbranche validieren lassen, die die Einsparpotenziale im Detail ausweist. Bedenkt man, dass zum Beispiel der Wirkungsgrad einer Wärmepumpe gegenüber einer fossilen Heizung in der Grössenordnung drei- bis viermal besser ist. Oder ein anderes Beispiel, wenn alle Gebäudetechnikanlagen optimal betrieben würden, lassen sich 15 Prozent Stromverbrauch einsparen und dies ohne Zusatzinvestitionen.

Worin besteht die Problematik der Realisierung?
Die Hemmnisse liegen in politischer Natur. Die Anlagenbesitzer müssen angehalten werden nachhaltige Technik und optimalen Betrieb anzustreben. Oft heisst natürlich „angehalten werden“ Gesetze, Verordnungen und Vollzug. Bei diesem Thema gibt es politische Gruppierungen, die eher den Kopf in den Sand stecken, als dass sie die Schweizer Bevölkerung umfassen aufklären.

Im Zusammenhang mit der Energiestrategie ist immer die Rede von Energiewende. Geht es aber nicht effektiv um die Realisierung einer Wärmewende?
Tatsächlich wurde bei der Energiestrategie sehr schnell und ausgiebig über die Änderungen in der Stromproduktion debattiert. In Tat und Wahrheit geht es um viel mehr. Es geht auch um Veränderung im Transport und Verkehr, Veränderungen in der Industrie und Veränderung in der Zusammenarbeit mit Nachbarländern. Die Wärmewende ist ein sehr bedeutender Teil und wurde als solche bei der Debatte zur Energiestrategie nicht explizit adressiert. Derweil sind Gebäudeheizungen für 40 Prozent des CO2-Ausstosses verantwortlich.

Fakt ist doch, dass heute rund zwei Drittel des gesamten Energieverbrauches in den Haushalten für das Heizen eingesetzt werden. Müsste die Politik deshalb nicht hier den Hebel ansetzen?
Ein bedeutend Teil der Bevölkerung vertritt die Meinung, dass man Einrichtungen der Gebäudetechnik nicht sehen und nicht hören darf. Zudem dürfen diese nichts kosten und müssen trotzdem zuverlässig und effizient arbeiten. Der Mensch ist jedoch so gestrickt, dass er für Dinge die die Allgemeinheit betreffen, Spielregeln braucht. Und Spielregeln bedeuten im vorliegenden Kontext Gesetze, Verordnungen und einen ordentlichen Vollzug. Nehmen wir ein Sinnbild: Den Müll hinter das Haus zu kippen, hält den Raum vor dem Haus angenehm frei. Dass hinter dem Haus gleichbedeutend ist, wie vor dem Haus des Nachbarn realisieren offenbar die wenigsten.

Gibt es andere Beispiele aus der Branche?
Ja, erinnern wir uns an die Revision der Luftreinhalteverordnung 1992. Mit dieser Revision wurden die Stickoxydwerte für Öl- und Gasheizungen deutlich verschärft. Die Anbieter entwickelten deshalb die Low NOx-Produkte. Gleichzeitig wurde der Vollzug mit der Feuerungskontrolle organisiert. Die Feuerungskontrolleure hatten die Befugnis Sanierungspflichten auszusprechen. Ohne übermässigen Marketingaufwand mit viel Geld wurden deshalb Low NOx-Heizkessel und Low NOx-Brenner verkauft und installiert.

Wie wichtig sind aus Sicht der FWS gesetzliche Massnahmen?
Gesetzliche Massnahmen sind aus unserer Sicht wirkungsvoll und zielführend. Hingegen erleben wir wie schleppend die Gesetze angepasst werden. In diesem Zusammenhang lässt die Umsetzung der MuKEn 2014 in den Kantonen grüssen. Spezielle Massnahmen bilden bei der Energiestrategie die Erhöhung der CO2-Abgaben und die Ausweitung des Programmes zur energetischen Sanierung von Gebäuden.

Können dazu nicht Wärmepumpen einen wesentlichen Beitrag leisten?
Die Erhöhung der CO2-Abgaben erachtet die FWS als sinnvolle Massnahme. Die schrittweise Verteuerung der Brennstoffe, wird ihre Wirkung erzielen. Noch sind die CO2-Abgaben im Haushaltbudget noch nicht sehr relevant. Der Punkt wird aber kommen und was viele nicht realisieren ist, dass die Mechanismen für die Erhöhung der CO2-Abgaben eingerichtet sind. Die Parteien, die heute Lenkungsabgaben fordern, werden in absehbarer Zukunft Farbe bekennen müssen.

Und wie sieht die FWS die Verwendung der Mittel aus der CO2-Abgabe?
Gebäude energetisch zu sanieren, erachtet die FWS als wichtige Voraussetzung, um anschliessend mit Wärmepumpen effizient heizen zu können. Über zwei Drittel der Schweizer Gebäudehüllen sind in einem akzeptablen Zustand, so dass jetzt in Gebäudetechnikmassnahmen investiert werden kann. Wärmepumpen leisten dabei einen wesentlichen Beitrag zur CO2-Reduktion und zur Steigerung der Energieeffizienz..

Ziel der FWS ist es, den Absatz von Wärmepumpen in den nächsten zehn Jahren zu verdoppeln. Ist dieses Ziel angesichts der günstigen Öl- und Gaspreise nicht sehr ehrgeizig?
Das Ziel für die Verdoppelung der Installationen von Wärmepumpen korrespondiert mit der Annahme der Energiestrategie 2050 und der Annahme des eidgenössischen Energiegesetzes vom 21. Mai 2017. Im Weiteren hat die Schweiz das Pariser Klimaabkommen unterschrieben und sich damit verpflichtet, den CO2-Ausstoss bis 2030 gegenüber dem Referenzjahr 2030 um 50 Prozent zu reduzieren. Somit sind die Ziele nicht verbandspolitisch oder marktwirtschaftlich getrieben, sondern gesellschaftlich und politisch. Die Ziele haben nur wenig mit den aktuellen Öl- und Gaspreisen zu tun. Die Gesellschaft und insbesondere die nachkommenden Generationen werden sich mit den Voraussetzungen für eine intakte Umwelt auseinander setzen. Für die FWS besteht die grosse Herausforderung politische Mauern einzureissen.

Hemmen nicht auch die komplizierten Bewilligungsverfahren die Bestrebungen der FWS den Absatz deutlich zu steigern?
Es ist ja nicht die FWS als Wirtschaftsverband, die den Absatz steigern will. Mit der Annahme der Energiestrategie und des Energiegesetzes und mit dem Abschluss der Klimaverträge, ist es ein gesellschaftlich, umweltpolitisches Erfordernis. Diesen Umstand müssen die Politiker, Behörden und die Anlagenbesitzer erkennen. Die Bewilligungsverfahren müssen massiv vereinfacht und vor allem national vereinheitlicht werden. Es hat nichts mit Föderalismus zu tun, wenn die Physik in jedem Kanton und in jeder Kommune neu geschrieben wird. Dass die Gebäudehülle in ein Ortsbild passen muss, ist klar und nur föderalistisch lösbar. Dass aber Gebäudetechnik nicht national geregelt werden kann, ist für einen Unternehmer schwer verständlich und bindet zudem Ressourcen.

 

Zur Person


Stephan Peterhans (64) zeichnet seit Frühjahr 2005 als Geschäftsführer der Fachgemeinschaft Wärmepumpen Schweiz (FWS) verantwortlich. Zuvor war er in wichtigen Funktionen bei mehreren Unternehmen der Gebäudetechnik tätig, so als Geschäftsführer der Viessmann (Schweiz) AG. Seit 2002 wirkt er als selbständiger Unternehmensberater für Gebäudetechnik Unternehmen. Seit 2013 ist er Vorstandsmitglied der Konferenz der Gebäudetechnik Verbände (KGTV) und seit 2015 Sekretär der parlamentarischen Gruppe Gebäudetechnik. Zudem ist er langjähriges Mitglied des SWKI mit Präsidialzyklus von 1998 bis 2002. Ferner zählt er zum Kreis der Mitglieder der Schweizer Gesellschaft für Public Affairs (SPAG) und des Clubs Politique Berne. Peterhans absolvierte eine Lehre als Lüftungszeichner und beendete danach erfolgreich je ein Studium als Ingenieur für Gebäudetechnik und in Betriebswirtschaft.