Digitale Transformation kommt nur schleppend voran

Mangelnde Datenkompetenz und schlechte Datenqualität verzögern die digitale Transformation der Immobilienwirtschaft. Foto: AdobeStocks
Mangelnde Datenkompetenz und schlechte Datenqualität verzögern die digitale Transformation der Immobilienwirtschaft. Foto: AdobeStocks

Die Bau- und Immobilienwirtschaft investiert in die digitale Transformation, der Umbau kommt aber nur schleppend voran. Das zeigen die Ergebnisse der diesjährigen Ausgabe der Digital Real Estate Umfrage von pom+. Zum vierten Mal in Folge schätzen rund 180 Führungskräfte, Immobilienexperten und -spezialisten aus der Schweiz und Deutschland ihre eigene Digitalisierungsreife moderat besser ein als im Vorjahr. 

In der Digital Real Estate Umfrage 2023 wurde der Digital Real Estate Index für die Schweiz und für Deutschland bereits zum fünften Mal berechnet. Der Index misst, in welchem Ausmass sich Immobilienunternehmen mit der Digitalisierung auseinandersetzen und wie weit sie bereits Massnahmen ergriffen und umgesetzt haben. Basis für die Berechnung bilden 25 Indikatoren in fünf Clustern und 12 Technologien. Auf einer Skala von 1 bis 10 wird die aktuelle Digitalisierungsreife über den gesamten Markt mit 4,7 beurteilt, was eine Zunahme von 0,2 Punkten zum Vorjahr bedeutet. Der Schweizer Index steigt dabei erneut leicht von 4,4 auf 4,6 an, während der Index von Deutschland um 0,1 Punkte auf 4.8 fällt.

Ein möglicher Grund für die langsame Entwicklung zeigt die Analyse der für die Branche relevanten digitalen Technologien. Deren Einschätzung stagniert seit mehreren Jahren. Zwar werden alle Technologien häufiger eingesetzt, doch die Zunahme ist bei den meisten eher moderat. Zudem sind die Erwartungen an den Nutzen der Technologie fast überall zurückgegangen. Eine Ausnahme bilden lediglich die sogenannten «Decentralized Energy Technologies», die aufgrund der drohenden Energiemangellage einen deutlichen Schub erhalten haben.

Teuerung hemmt digitale Investitionen 
Die digitale Reife ist bei den FM-Dienstleistenden höher als bei allen anderen Akteurinnen und Akteuren der Branche. Die steigende Teuerung setzt sie allerdings so unter Druck, dass sie Investitionen in die digitale Transformation drastisch reduzieren mussten. Innert Jahresfrist hat sich der Anteil der FM-Dienstleistenden, die weniger als 1 Prozent des Umsatzes investieren, von 22 Prozent auf 66 Prozent verdreifacht. Derweilen investieren Planerinnen und Bauunternehmer stärker in Innovation und Digitalisierung, was auf den verstärkten Einsatz von BIM in der Projektierung zurückgeführt werden kann.

Investitionen in Innovation und Digitalisierung in Prozent de jährlichen Umsatzes. Grafik: Pom+
Investitionen in Innovation und Digitalisierung in Prozent des jährlichen Umsatzes. Klicken zum Vergrössern. Grafiken: Pom+

Zwei Drittel der Unternehmen geben mehr als 1 Prozent des jährlichen Umsatzes für Innovation und Digitalisierung aus, über ein Viertel sogar mehr als 5 Prozent. Dabei fällt auf, dass kleine Unternehmen mit bis zu 49 Mitarbeitenden anteilsmässig mehr investieren als mittlere und grosse Unternehmen. Insgesamt zeigt sich, dass grosse Unternehmen ab 250 Mitarbeitenden bei sinkenden Investitionen nach wie vor eine höhere digitale Reife haben als KMU. Mittelgrosse Unternehmen investieren weiterhin ähnlich viel und kleine Unternehmen sogar mehr als 2022.

«Die Investitionen in Innovation und Digitalisierung liegen über alle Unternehmensgrössen hinweg gemäss Hochrechnung im tiefen einstelligen Milliardenbereich,» erklärt Dr. Joachim Baldegger, Studienleiter und Head of Service Unit Future Lab. «Bei dieser Summe fragt man sich, warum der digitale Reifegrad in der Bau- und Immobilienwirtschaft nicht schneller ansteigt.»

Positionierung digitaler Technologien im Hype-Zyklus 2023. Klicken zum Vergrössern.
Positionierung digitaler Technologien im Hype-Zyklus 2023. Klicken zum Vergrössern.

Mangelnde Datenkompetenzen als grösste Herausforderung 
Eine Erklärung für den schleppenden Fortschritt der digitalen Transformation liegt in der geringen Datenmaturität in Verbindung mit einer schwachen Data Literacy, also Datenkompetenz. Als Folge davon wird Data Analytics nur bei einem Viertel der Befragten eingesetzt, 38 Prozent beschäftigen sich mit dem Aufbau oder der Planung, wobei die meisten noch mit Pilotprojekten oder Wissensaufbau beschäftigt sind. 4 Prozent rollen die Technologie bereits im Tagesgeschäft aus. Knapp ein Drittel der Befragten setzt Data Analytics gar nicht ein und 6 Prozent betrachten die Thematik als nicht relevant. Insgesamt wird Data Analytics jedoch eine hohe Bedeutung beigemessen und gilt vor allem im daten- und statistikgetriebenen Investitions-, Portfolio und Assetmanagement als wichtiger Grundpfeiler für die Zukunft. Die Optimierung der Geschäftsprozesse und der Kostenstruktur werden dabei als wichtigste Potenziale genannt.

Data Analytics wird umso positiver beurteilt, je weiter die Integration im Unternehmen fortgeschritten ist. Dabei hat Data Analytics auf mehr Bereiche einer Unternehmung einen positiven Einfluss als erwartet. Dieser Einfluss wirkt oft eher indirekt, wie bei der Reduktion von Risiken, der Erweiterung der Wertschöpfungskette oder der Entwicklung von neuen Geschäftsmodellen. Der grösste Nutzen wird mit verbesserten Reportings erzielt, die interne Prozesse optimieren und beschleunigen. Die grösste Herausforderung bei der Anwendung von Data Analytics ist die mangelnde Qualität der Datenbasis. 89 Prozent der befragten Fachkräfte, die Data Analytics bereits nutzen, und 74 Prozent derjenigen, die sich mit dem Aufbau beschäftigen, bestätigen das. Auch das fehlende Know-how im Umgang mit Daten wird von 41 bzw. 52 Prozent bemängelt.

Hindernisse in der Planung, im Aufbau und im Einsatz von Data Analytics. Klicken zum Vergössern.
Hindernisse in der Planung, im Aufbau und im Einsatz von Data Analytics. Klicken zum Vergössern.

«Das Bewusstsein für Daten als Asset hat sich in der Bau- und Immobilienwirtschaft noch nicht durchgesetzt. Da die Anforderungen an Datenarchitekturen im sehr heterogenen Umfeld mit stark fragmentierten Prozessen und unterschiedlichen Beteiligungsgruppen sehr komplex sind, ist eine klare und transparente Kommunikation in Verbindung mit einer strukturierten Data Governance notwendig. Nur so kann ein besseres Verständnis für Daten geschaffen werden», erklärt Joachim Baldegger.

Digitale Transformation muss gemeinsam stattfinden
Nicht nur technische Möglichkeiten fördern den digitalen Reifegrad, auch Erfahrungen, Kompetenzen und Knowhow haben einen entscheidenden Einfluss. Langsam setzt sich die Erkenntnis durch, dass die digitale Transformation der Branche nur gemeinsam stattfinden kann. Immer mehr Unternehmen kümmern sich deshalb gezielt um den Ausbau und die Pflege von Partnernetzwerken und treiben die Entwicklung von übergreifenden Geschäftsmodellen voran. Der dafür notwendige Datenaustausch über Unternehmens- und Branchengrenzen hinweg dürfte in absehbarer Zeit stark zunehmen. Daher empfiehlt es sich, das Bewusstsein für Daten im Unternehmen unabhängig vom Umsetzungsstand von Data Analytics auszubilden und zu stärken. Eine wichtige Rolle spielen auch die Gesetzgebung und Regulierungen: so wird die Einführung des neuen Datenschutzgesetzes per 1. September 2023 für einige Veränderungen sorgen.

Über die Studie
Die Digital Real Estate Umfrage erhebt seit 2016 jährlich den Stand der digitalen Transformation der Bau- und Immobilienwirtschaft in der Schweiz und seit 2019 auch für Deutschland. Die Studie präsentiert die Ist-Situation in den beiden Ländern basierend auf den Einschätzungen von verschiedenen Führungs- und Fachkräften aus der Branche und wird durch das Expertenwissen von Beraterinnern und Berater der pom+Consulting AG ergänzt.

Die Studie kann hier kostenlos heruntergeladen werden.

 

pom+Consulting AG

pom+ ist ein Schweizer Beratungsunternehmen, das Dienstleistungen für Immobilien, Infrastrukturen, Unternehmen und Organisationen aus den Bereichen Bau-, Facility-, Property-, Portfolio- und Asset-Management erbringt. Die Kernkompetenzen von pom+ umfassen Performancemessung, Strategieentwicklung, Ressourcenoptimierung, Nachhaltigkeitsberatung, Technologieeinsatz, Digitalisierungsstrategien und -lösungen sowie Bautreuhand, Bauherrenberatung und BIM-Strategien mit Rücksicht auf den Lebenszyklus der Immobilien und Infrastrukturen. Über 100 Mitarbeitende, die meisten Hoch- und Fachhochschulabsolvierende, verfügen über ausgewiesene Erfahrung und Know-how aus rund 7‘000 Projekten. Mit Hauptsitz in Zürich und Niederlassungen in Basel, Bern, Lausanne, St. Gallen, Frankfurt und Berlin berät pom+, als Spin-off der ETH Zürich gegründet, seit 1996 über 700 Kunden im In- und Ausland. www.pom.ch