Eine Industrie ohne CO2-Emissionen

Der Verein zur Dekarbonisierung der Industrie mit Vertretern aus Industrie, Energieversorgung, Finanzbranche und Forschung hat am 20. Juni 2022 eine gemeinsame Strategie verabschiedet mit dem Ziel, schnell umsetzbare und ganzheitliche Ansätze für die CO2-Reduktion im industriellen Umfeld zu entwickeln. Im Zentrum stehen Hochtemperaturprozesse und die Logistik. In beiden Fällen soll Wasserstoff eine zentrale Rolle spielen, allerdings mit unterschiedlichen Herstellungsverfahren.

Obwohl in ganz unterschiedlichen Branchen aktiv, wollen die Mitglieder des Vereins gemeinsam eine rasche und ganzheitliche CO2-Reduktion in industriellen Anwendungen voranbringen. Foto: V-Zug AG
Obwohl in ganz unterschiedlichen Branchen aktiv, wollen die Mitglieder des Vereins gemeinsam eine rasche und ganzheitliche CO2-Reduktion in industriellen Anwendungen voranbringen. Foto: V-Zug AG

Die Liste der Mitglieder des Vereins zur Dekarbonisierung der Industrie ist äusserst divers. Dort figurieren nebst dem Tech Cluster Zug, der regionalen Energie- und Wasserversorgerin WWZ und der Empa als Gründungsmitglieder der Haushaltsgeräte-Hersteller V-ZUG, die Industriegruppe Metall Zug AG, die Abfallverwerterin AVAG, der Pyrolyseanlagenhersteller XGas Swiss (in Gründung), der Manager von Privatmarktanlagen Partners Group, Accelleron Industries, die Turbocharging-Division von ABB, das Medtech-Unternehmen SHL Medical, die VZ Depotbank AG, das Spezialitätenchemie-Unternehmen Sika, das Mobilitätsunternehmen AMAG Gruppe, der Technologiekonzern Siemens und Holcim als Anbieterin von Baulösungen. Obwohl in ganz unterschiedlichen Branchen aktiv, wollen die Partner gemeinsam eine rasche und ganzheitliche CO2-Reduktion in industriellen Anwendungen voranbringen.

Neues Herstellungsverfahren für Wasserstoff
Zur Dekarbonisierung von industriellen Hochtemperaturprozessen, dem drittgrössten Energieverbraucher in der Schweiz, soll in einer geplanten Demonstrationsanlage in Zug ein neuartiges Herstellungsverfahren für Wasserstoff angewandt werden, das auf der Abspaltung von Wasserstoff (chemisch H2) aus Methan (CH4) beruht – der so genannten Methan-Pyrolyse. Methan ist der Hauptbestandteil von fossilem Erdgas und von Biogas, lässt sich aber auch aus erneuerbar erzeugtem Wasserstoff und CO2 synthetisch herstellen. Im vorgesehenen Demonstrator im Tech Cluster Zug soll pyrolytisch erzeugter Wasserstoff fossiles Erdgas in den Emaillierungsöfen der V-ZUG ersetzen, um aufzuzeigen, wie solche Anwendungen dekarbonisiert werden können. Parallel dazu soll der Demonstrator von anderen Vereinsmitgliedern für Abklärungen zur Dekarbonisierung ihrer Anwendungen genutzt werden können. Durch die Pyrolyse von Methan entsteht im Gegensatz zur bisherigen industriellen Wasserstofferzeugung kein CO2 als Nebenprodukt, sondern fester (pulverförmiger) Kohlenstoff, der im Rahmen der Aktivitäten des Vereins in eine Ressource für die Bau- und Landwirtschaft weiterentwickelt werden soll, beispielsweise als Beimischung in Baustoffen oder Anreicherung von Humus.

Das Besondere an diesem neuen Ansatz: Verwendet man anstelle von fossilem Erdgas synthetisches Methan für die pyrolytische Wasserstofferzeugung, dann resultieren sogar negative CO2-Emissionen! Dies, weil der Atmosphäre für die Herstellung von synthetischem Methan mehr CO2 entnommen werden muss, als anschliessend über sämtliche Prozessschritte wieder ausgestossen wird. Der über die Methanpyrolyse abgespaltene Kohlenstoff wird der Atmosphäre so dauerhaft entzogen. Technologien mit negativen CO2-Emissionen sind im grossen Stil erforderlich, wenn die Schweiz ihre CO2-Ziele erreichen will: Denn rund ein Viertel der heute im Inland erzeugten CO2-Emissionen (beziehungsweise 10 Millionen Tonnen) lassen sich nicht durch Umstellung auf erneuerbare Energie reduzieren.

Parallel zur pyrolytischen Wasserstofferzeugung soll auch eine dezentrale Elektrolyseanlage für die strombasierte Herstellung von Wasserstoff aus Wasser realisiert werden. Solche Anlagen liefern hochreinen Wasserstoff, wie er etwa für Lastwagen mit Brennstoffzellenantrieb erforderlich ist. Die Wasser-Elektrolyse weist höhere Gesamtwirkungsgrade als die Methan-Pyrolyse auf, erreicht aber nicht so niedrige (beziehungsweise negative) CO2-Emissionen. In Zug soll für die Elektrolyse ein dezentraler, nicht an ein Kraftwerk gebundener, Ansatz realisiert werden, weil damit die ineffektive Wasserstoffverteilung per Lastwagen auf der Strasse vermieden werden kann. Damit dezentral kein Stromnetzausbau erforderlich wird, soll in Zusammenarbeit mit dem lokalen Stromversorger ein «netzdienliches» Betriebskonzept entwickelt werden, das auf der Ausnutzung freier Stromnetzkapazitäten basiert.

Rasche Industrialisierung als Ziel
Im Bereich der elektrolytischen Wasserstoffherstellung ist die Industrialisierung bereits fortgeschritten. Die Methan-Pyrolyse ist demgegenüber ein erst im Labor erprobter, aber wissenschaftlich breit untersuchter Prozess, der an der Schwelle zur industriellen Anwendung steht. In den USA wurde kürzlich beispielsweise eine erste Grossanlage für die Herstellung von Kohlenstoff in Zusammenarbeit mit der Reifenindustrie in Betrieb genommen. Der Verein zur Dekarbonisierung der Industrie konzentriert sich zunächst auf den Einsatz der Methan-Pyrolyse bei dezentralen, ans Gasnetz angeschlossenen, industriellen Anlagen. Rund 50 Prozent der Hochtemperaturprozesse in der Schweiz kommen dafür in Frage. Mit der Realisierung des Demonstrators in Zug beabsichtigt der Verein dieser Technologie einen Schub für deren Industrialisierung zu geben. Dank ihrem breiten fachlichen Hintergrund decken die Partner im Netzwerk die gesamte Wertschöpfungskette ab.