IPD als Gamechanger?

Innovative Bauprozesse und integrierte Arbeitsmodelle wie IPD (Integrated Project Delivery) können der Bauwirtschaft neuen Schub verleihen. Foto: AdobeStock
Innovative Bauprozesse und integrierte Arbeitsmodelle wie IPD (Integrated Project Delivery) können der Bauwirtschaft neuen Schub verleihen. Foto: AdobeStock

Die Baubranche und die Margen der Bauunternehmen stehen unter Druck. Trotz Immobilienboom und dem Bedarf an Sanierungen und Ersatzneubauten. Innovative Bauprozesse und integrierte Arbeitsmodelle wie IPD (Integrated Project Delivery) können hier Abhilfe schaffen und der Bauwirtschaft neuen Schub verleihen.
Text: Thomas Stocker

 

Innovative Vertragsmodelle, die einen gemeinsamen Projekterfolg anstreben, fehlen. Gerade BIM (Building Information Modelling) beeinflusst unsere Bauprozesse. Enthält ein BIM-Modell alle zur Planung, Ausführung und Bewirtschaftung benötigten Daten, müssen Ausführende und auch Bewirtschaftende in den Planungsprozess integriert werden. Das ist aktuell in den Prozessen und Normen nicht vorgesehen. Mit dem IPD-Ansatz wirkt man dem entgegen.

Der integrierte Projektablauf
Heutzutage werden immer mehr Bauprojekte nach integrierten Abwicklungsmodellen um- gesetzt. Völlig neue Zusammenarbeits- und Kulturformen entstehen. Anders als bei einem linearen Abwicklungsmodell fokussiert sich der Ansatz von IPD auf das dynamisch-integrierte Zusammenspiel verschiedener am Bau beteiligter Personen. Die Prozessinnovation hilft, den Status quo zu hinterfragen und somit Abläufe, Strukturen und Zusammenarbeitsformen zu verändern. Bei einem integrierten Projektablauf wird die Entscheidung, welche Unternehmen am Bau beteiligt sind, möglichst früh getroffen. Gemeinsam werden die Nutzeransprüche des Bestellenden definiert – gefolgt von der gemeinsamen Entscheidung, wie das Bauwerk geplant wird. Der integrierte Projektablauf bedingt, dass sich die Leistungsphasen verschieben. Aus dem klassischen Ausschreibungsverfahren, das auf einen günstigen initialen Preis setzt, wird somit ein partnerschaftliches Auswahlverfahren.

Bei der integrierten Projektabwicklung ist das Projekt vor Baubeginn auf einem höheren Niveau definiert und koordiniert, als dies bei herkömmlichen Abwicklungsmodellen der Fall ist. Dies ermöglicht eine effizientere Bauabwicklung und eine potenziell kürzere Bauzeit sowie Kostenstabilität durch das Verhindern von Nachträgen.

Stolpersteine in traditionellen Abwicklungsmodellen. Grafik: Switzerland Innovation Park Central
Stolpersteine in traditionellen Abwicklungsmodellen. Grafik: Switzerland Innovation Park Central

Gemeinsamer Projekterfolg im Fokus
Integrierte Projektabwicklung hilft einerseits in der Entwicklung realisierbarer BIM-Mo- delle, beeinflusst andererseits aber auch die Bauprozesse künftiger Bauprojekte. Der ge- meinsame Projekterfolg steht dabei im Mittelpunkt. Statt den eigenen Bereich zu optimieren, helfen alle Beteiligten mit, sämtliche Bauprozesse zu verbessern. Ein hoher Projekterfolg garantiert auch eine angemessene Marge. Dies bedingt aber ein grundsätzliches Umdenken. Die Auswahl der Projektbeteiligten fokussiert sich nicht mehr auf den offerierten Preis, sondern auf die Bereitschaft, gemeinsam einen Bauprozess erfolgreich zu realisieren. Dies hat folgende Vorteile:

Gegenüberstellung der Bauprozesse. Grafik: Switzerland Innovation Park Central
Gegenüberstellung der Bauprozesse. Grafik: Switzerland Innovation Park Central

Transparenz über den Bauprozess
Die Baukosten, die Vergütungen und die Gewinne der Projektbeteiligten sind transparent. Dies erfordert Unternehmende, die bereit sind, «open book» abzurechnen. Der Vergabepro- zess verläuft nach vorgegebenen Kriterien, welche anhand von Assessments beurteilt werden. Lieferketten werden durchsichtig und der Bauherr kann jederzeit nachvollziehen, welches Material wann und wo verbaut wurde.

Einfluss des Bauherrn in der Realisierung
Der Bauherr wird zum Teil des Ausführungsteams und hat Projektanpassungen und deren Auswirkungen jederzeit im Griff. Er hat die Möglichkeit, in der Materialauswahl mitzubestimmen, und ist in der Vergabe von Lieferaufträgen involviert.

Leistungen zum Marktpreis
Die Abrechnung erfolgt immer auf der Grundlage tatsächlich erbrachter Leistungen, basie- rend auf vorgängig definierten Stundenansätzen. Es entfällt der Anreiz, mittels Nachträgen die gebeutelte Marge zu korrigieren. Als Gegenleistung erhält der Unternehmer die Garantie, dass seine Leistungen immer zu 100 Prozent vergütet werden. Die Weitergabe der Materialkosten erfolgt transparent und zu Marktpreisen.

Sozialer und partnerschaftlicher Umgang        
Alle Projektbeteiligten kommunizieren auf Augenhöhe. Es wird ein standardisiertes Konflikt- und Eskalationsmanagement vorbereitet und angewendet. Die Erreichung der Projektziele (z. B. Termin, Qualität, Kosten, Zufriedenheit der Beteiligten, Digitalisierungsgrad) steht für alle Beteiligten im Zentrum des Interesses. Die Zusammenarbeit wird deshalb partnerschaftlicher und menschlicher. Die Attraktivität der Baubranche steigt.

Optimierte Zusammenarbeit der Gewerke
Die Kompetenzen der Projektbeteiligten werden in allen Planungs- und Bauphasen miteinbezogen, sodass Anreize in der Wertschöpfungsoptimierung entstehen. Die Bauprozesse und die Zusammenarbeit der Beteiligten werden dadurch optimiert. Gemeinsame Projektziele stehen so im Zentrum und überlagern die Einzelinteressen der Unternehmen.

Reaktionsfähigkeit bei unerwarteten Ereignissen
Bei eintretenden übergeordneten Risiken (z. B. Pandemie, politische Situation, Regulatorien) steht die gemeinsame Problemlösung im Zentrum. Die Reaktionsfähigkeit nimmt durch die gebündelten Kompetenzen zu und das Risiko aller Beteiligten sinkt.

 

 

Maximilian Richter ist Innovationsmanager im Switzerland Innovation Park Central und verantwortlich für das IPD Lab. Foto: zvg
Maximilian Richter ist Innovationsmanager im Switzerland Innovation Park Central und verantwortlich für das IPD Lab. Foto: zvg

Welche Ziele verfolgt das IPD Lab?
Das IPD Lab ist eine schweizweit neutrale Plattform für innovative Abwicklungsmodelle und vereint Menschen, welche die Bauindustrie neu definieren wollen.

Wann hält IPD in der Schweizer Bauwirtschaft Einzug?
IPD hat bereits in der Schweiz in Pilotprojekten Fuss gefasst und erfreut sich zunehmenden Interesses in der Bauindustrie. Viele Auftraggebende setzen sich derzeit intensiv mit dem Thema auseinander und evaluieren mögliche Pilotprojekte.

 

Einige Projekte sind bereits in der Machbarkeits- oder Planungsphase, bei denen wir auch unterstützen. Angesichts des positiven Feedbacks und des grossen Interesses ist davon auszugehen, dass IPD in den nächsten Jahren zunehmend an Popularität gewinnen wird.

Der ultimative Tipp an die Schweizer Bauunternehmen?
Die Bauindustrie steht vor grossen Veränderungen, die unabhängig von der Nachfrage nach Transparenz, dem Mangel an Fachkräften oder einer geringen Arbeitsproduktivität notwendig sind. Als Geschäftsführer in diesem Bereich sollten Sie sich über innovative Bauprozesse und integrierte Arbeits- modelle informieren. Es ist von grosser Bedeutung, zu verstehen, ob integrierte Projektabwicklungsmodelle (IPD) eine strategische Relevanz haben und Ihrem Unternehmen neue Chancen bieten. Es wäre bedauerlich, die Chancen zur Veränderung zu übersehen und den Trend zu verpassen.

 

Unternehmen, die sich heute mit innovativen Bauprozessen auseinandersetzen, haben die Möglichkeit, Talente einfacher zu gewinnen, weniger Zeit mit Rechtsstreitigkeiten zu verbringen und sich einen Innovationsvorsprung gegenüber ihren Konkurrenten zu erarbeiten.  www.building-excellence.ch/ipd/

 

 

Der Beitrag ist im Informationsmagazin CAMPUS Ausgabe 1/2023 des Bauausbildungszentrums CAMPUS SURSEE erschienen.