KI erlebt einen spürbaren Schub

Die Einsicht in die Bedeutung von generativer KI schlägt sich aber noch nicht vollständig in ihrer Nutzung in den Unternehmen nieder. Foto: Mohamed Nohassi/ Unsplash
Die Einsicht in die Bedeutung von generativer KI schlägt sich aber noch nicht vollständig in ihrer Nutzung in den Unternehmen nieder. Foto: Mohamed Nohassi/ Unsplash

Der Anteil der deutschen Unternehmen, die KI einsetzen, ist innerhalb eines Jahres von 9 auf 15 Prozent gestiegen. Zwei Drittel sehen KI als wichtigste Zukunftstechnologie. Die grosse Mehrheit lässt ChatGPT und generative KI aber noch links liegen, was eine telefonische Umfrage des deutschen Digitalverbands Bitkom ergab.

 

Künstliche Intelligenz erlebt in der deutschen Wirtschaft einen spürbaren Schub. Inzwischen nutzen 15 Prozent der Unternehmen KI, vor einem Jahr waren es erst 9 Prozent. Deutlich zurückgegangen ist gleichzeitig der Anteil derer, für die der KI-Einsatz im eigenen Unternehmen kein Thema darstellt: von 64 auf 52 Prozent. Gut zwei Drittel (68 Prozent) halten KI für die wichtigste Zukunftstechnologie. Dem stehen 29 Prozent gegenüber, die in KI einen Hype sehen, der massiv überschätzt werde. Für das eigene Unternehmen sieht die grosse Mehrheit von 68 Prozent KI als Chance, ein Fünftel (20 Prozent) jedoch als Risiko. Und jedes Neunte (11 Prozent) denkt, dass KI keinen Einfluss auf das eigene Unternehmen haben wird. Das sind Ergebnisse einer Studie im Auftrag des Digitalverbands Bitkom, für die 605 Unternehmen ab 20 Beschäftigten aus allen Branchen in Deutschland repräsentativ befragt wurden. «Zwar setzt nur jedes fünfte Unternehmen, das KI als wichtigste Zukunftstechnologie sieht, selbst auch KI ein. Aber die deutsche Wirtschaft drückt beim Thema Künstliche Intelligenz seit diesem Jahr stärker aufs Tempo.

Unternehmen trauen KI bei Sprache mehr zu
Unternehmen trauen, verglichen mit dem Vorjahr, KI vor allem rund um Text und Sprache mehr zu. So sprechen 84 Prozent KI sehr grosses oder eher grosses Potenzial für Textanalyse und Textverständnis im eigenen Unternehmen zu, vor einem Jahr waren es erst 74 Prozent. Spracherkennung hat für 74 Prozent grosses Potenzial (2022: 66 Prozent), für generative KI zur Erstellung von Texten, Bildern oder Musik sagen das 70 Prozent. Die Einstellung zu dieser neuen Form der KI wurde erstmals abgefragt. Auch den anderen Arten von KI spricht die Mehrheit der Unternehmen grosses Potenzial zu, etwa für Gesichtserkennung (68 Prozent, 2022: 61 Prozent), Prognosen (67 Prozent, 2022: 71 Prozent), Mustererkennung (67 Prozent, 2022: 66 Prozent) und Bilderkennung (60 Prozent, 2022: 57 Prozent). «ChatGPT hat für viele Menschen die Augen geöffnet und auch in den Unternehmen intensive Diskussionen ausgelöst», so Wintergerst.

Hinweis zur Methodik: Grundlage der Angaben ist eine Umfrage, die Bitkom Research im Auftrag des Digitalverband Bitkom durchgeführt hat. Dabei wurden 605 Unternehmen ab 20 Beschäftigten in Deutschland telefonisch befragt. Die Umfrage ist repräsentativ. Grafik: bitkom
Hinweis zur Methodik: Grundlage der Angaben ist eine Umfrage, die Bitkom Research im Auftrag des Digitalverband Bitkom durchgeführt hat. Dabei wurden 605 Unternehmen ab 20 Beschäftigten in Deutschland telefonisch befragt. Die Umfrage ist repräsentativ. Grafik: bitkom

Die Einsicht in die Bedeutung von generativer KI schlägt sich aber noch nicht vollständig in ihrer Nutzung in den Unternehmen nieder. Aktuell setzen nur 2 Prozent generative KI zentral im Unternehmen ein, weitere 13 Prozent planen dies. Rund ein Viertel (23 Prozent) hat zwar noch keine Pläne zur Verwendung generativer KI, kann sich dies aber grundsätzlich vorstellen. Ebenso viele (23 Prozent) können sich dies aber nicht vorstellen. Und mehr als jedes dritte Unternehmen (37 Prozent) hat sich damit noch gar nicht beschäftigt. «Generative KI bietet in den verschiedensten Bereichen spannende Einsatzmöglichkeiten, zugleich ist die Technologie bereits heute breit verfügbar und zu geringen Kosten einfach auszuprobieren», so Wintergerst. «Es sollte wirklich kein Unternehmen die Diskussion über den Einsatz von generativer KI auf die lange Bank schieben. Wer heute abwartet muss sich demnächst umso mehr anstrengen, die anderen einzuholen.»

Das grösste Potenzial generativer KI wird in der Unterstützung bei Berichten, Übersetzungen oder sonstigen Texten gesehen (82 Prozent). Mit deutlichem Abstand dahinter folgen Aufgaben in Marketing und Kommunikation (59 Prozent), etwa bei der Bilderstellung, in der IT-Abteilung (58 Prozent), etwa für Code-Generierung, und bei Forschung und Entwicklung (50 Prozent), etwa zur Auswertung von Daten. Dahinter reihen sich ein der Einsatz in der Produktion (44 Prozent), zum Beispiel als Assistenzsystem bei der Maschinensteuerung, im Kundenkontakt (39 Prozent), etwa für die Bearbeitung von Anfragen, in der Personalabteilung (26 Prozent), etwa zur Kommunikation mit Bewerbern, bei der Unterstützung des internen Wissensmanagements (23 Prozent), etwa als Chatbot mit Zugriff auf Unternehmensinformationen und im Management (19 Prozent), in der Strategieentwicklung. Schlusslicht ist die Rechts- oder Steuerabteilung (12 Prozent), beispielsweise für die Vertragsgestaltung. «Generative KI kann schon heute viel mehr, als die meisten Unternehmen ihr zutrauen», kommentiert Wintergerst die Einschätzung. «Es ist überraschend, dass insbesondere das Potenzial im Kontakt mit Kunden, beim unternehmensinternen Wissensmangement oder auch bei Vertragserstellung und -prüfung noch kaum gesehen wird. Hier gibt es bereits praxistaugliche Anwendungen.»

Wie gespalten die deutsche Wirtschaft beim Thema generative KI ist, zeigen weitere Ergebnisse der Befragung. So sagen 42 Prozent aller Unternehmen, dass diejenigen, die generative KI einsetzen, einen Wettbewerbsvorteil haben. 19 Prozent rechnen sogar damit, dass generative KI ihr Geschäftsmodell verändern wird. Zugleich meinen aber 51 Prozent, dass generative KI zwar spektakulär aussehe, in den Unternehmen aber nur wenig Nutzen bringe. Auch hinsichtlich der Auswirkungen generativer KI auf die Beschäftigung gibt es sehr unterschiedliche Annahmen. 30 Prozent rechnen damit, dass durch den Einsatz von generativer KI Personal entlassen wird. Umgekehrt meinen mit 29 Prozent ähnlich viele, dass generative KI dabei hilft, den Fachkräftemangel zu bewältigen und ebenfalls 29 Prozent erwarten, dass generative KI die eigenen Beschäftigten produktiver macht.

Fragt man die Unternehmen, die sich aktiv mit dem Einsatz generativer KI beschäftigen, was den Einsatz generativer KI im Unternehmen hemmt, dann spielt Regulierung eine entscheidende Rolle. Größtes Hemmnis sind Anforderungen an den Datenschutz (85 Prozent), aber auch die die Sorge vor künftigen rechtlichen Einschränkungen (81 Prozent) sowie Verunsicherung durch rechtliche Unklarheiten (76 Prozent) werden häufig genannt. Daneben spielen zwei unternehmensinterne Gründe für viele Unternehmen eine wichtige Rolle: fehlendes technisches Know-how (84 Prozent) und fehlende personelle Ressourcen (78 Prozent). Ebenfalls häufig genannt werden ein Mangel an Daten (69 Prozent) oder an Zeit (68 Prozent). Dagegen ist fehlende Akzeptanz der Beschäftigten nur in jedem zweiten Unternehmen (50 Prozent) ein Hemmnis, noch seltener spielen die Sorge, dass Daten in falsche Hände geraten (43 Prozent), fehlende Use cases oder allgemein fehlendes Vertrauen (je 42 Prozent) sowie die Kosten (40 Prozent) eine Rolle. 34 Prozent der Unternehmen geben an, dass sie sich auf andere Zukunftstechnologien fokussieren. «Beim KI-Einsatz geht es den Unternehmen nicht um Subventionen, sie brauchen Planungssicherheit und stabile Rahmenbedingungen, etwa mit Blick auf den Datenschutz», so Wintergerst.

Wer KI nutzt bewertet Vorteile und Risiken der Technologie anders
Unternehmen, die KI bereits einsetzen, sehen die grössten Vorteile darin, dass KI allgemein die Wettbewerbsfähigkeit stärkt (71 Prozent), in der Gesamtwirtschaft wird dies nur von 44 Prozent genannt. 52 Prozent der Unternehmen mit KI-Einsatz heben die Vermeidung menschlicher Fehler hervor (33 Prozent Gesamtwirtschaft) und 51 Prozent sehen, dass Prozesse beschleunigt werden (39 Prozent Gesamtwirtschaft). Weniger deutlich auseinander sind die Einschätzungen wenn es um schnellere und präzisere Problemanalysen geht (49 Prozent KI-Nutzer, 48 Prozent Gesamtwirtschaft) oder bei Expertenwissen durch KI, das sonst nicht im Unternehmen vorhanden wäre (41 Prozent KI-Nutzer, 38 Prozent Gesamtwirtschaft). Deutlich unterschiedlich werden die konkreten Auswirkungen auf das Geschäftsmodell bewertet. 37 Prozent der KI-Nutzer sagen, dass durch KI die Verbesserung von Produkten und Dienstleistungen möglich wird, gegenüber 24 Prozent aller Unternehmen. Und rund jedes vierte Unternehmen, das KI einsetzt (24 Prozent), sieht dank Künstlicher Intelligenz völlig neue Produkte und Dienstleistungen entstehen – in der Gesamtwirtschaft sind es nur 16 Prozent.

Bei der Frage nach dem grössten Risiko von KI gibt es keinen Unterschied zwischen KI-Nutzern und die Gesamtwirtschaft. Beide nennen Verstösse gegen Datenschutzvorgaben am häufigsten (80 Prozent KI-Nutzer, 70 Prozent Gesamtwirtschaft). Bei den weiteren Risiken gibt es aber deutliche Unterschiede. So stehen für KI-Nutzer Fehler bei der Programmierung (70 Prozent, Gesamtwirtschaft 57 Prozent) und Haftungsverpflichtungen bei Schäden (69 Prozent, Gesamtwirtschaft 47 Prozent) weit oben. In der Gesamtwirtschaft machen die Unternehmen sich nach Datenschutzverstössen am meisten Sorgen über neue IT-Sicherheitsrisiken (69 Prozent, KI-Nutzer 58 Prozent) und Anwendungsfehler bei der KI-Nutzung (67 Prozent, KI-Nutzer 34 Prozent). «Es kann sich lohnen, bei KI den Vorreitern zu folgen und von ihren Erfahrungen zu profitieren. Deshalb sollte der Austausch von Unternehmen untereinander stark gefördert werden», so Wintergerst.

Unternehmen wünschen sich praxistaugliche Regulierung
Von der Politik wünschen sich die Unternehmen Regulierung – aber mit Augenmass. So sind fast drei Viertel (73 Prozent) der Meinung, dass klare KI-Regeln europäischen Unternehmen einen Wettbewerbsvorteil verschaffen können. Zugleich sind rund zwei Drittel (68 Prozent) zurückhaltend beim KI-Einsatz, weil sie Sorge haben, gegen Vorschriften zu verstossen. Und rund die Hälfte aller Unternehmen (48 Prozent) beklagt, dass übertriebene Regulierung der Grund dafür ist, dass Produkte wie ChatGPT nicht in der EU entwickelt werden. „Die Unternehmen wollen kein Wild West bei KI, sondern eine einfache, verständliche und vor allem praxistaugliche Regulierung», so Wintergerst. «Auf EU-Ebene wird derzeit am AI Act gearbeitet. Aus dem AI Act darf kein Technologie-Killer werden, der zu ähnlich massiven Rechtsunsicherheiten und einem Flickenteppich unterschiedlicher Auslegungen führt, wie dies bei der Datenschutz-Grundverordnung der Fall ist.»