Kongress mit Mehrwert

Neue Wege in die digitale Zukunft

Am 4. Oktober 2018 wurde zum zweiten Mal der Gebäudetechnik Kongress im KKL Luzern ausgetragen. Namhafte Referenten aus dem In- und Ausland sorgten mit ihren Aussagen und Präsentationen zum Leitthema «Digital & Smart» für nachhaltigen Gesprächsstoff unter den Kongressbesuchern.
Text: Monika Schläppi, Fotos: Peter Frommenwiler, Videos: Marc Schwarz

«Wir möchten mit dem Gebäudetechnik-Kongress Forschung und Praxis näher zusammenführen. Denn bis heute gibt es nur wenige Orte, an denen sich diese beiden Welten begegnen können», sagte Adrian Altenburger, OK-Präsident sowie Vizepräsident SIA, in seiner Eröffnungsrede. Die fortschreitende Digitalisierung der Branche brauche nicht nur Zeit, sondern auch fundierte Rahmenbedingungen, etwa in Form solider Normen. Gerade in guten konjunkturellen Zeiten sei es wichtig, ab und zu einen Schritt vom Tagesgeschäft zurückzutreten. Branchenübergreifendes Zusammenarbeiten, etwa von E.ON und Microsoft beim vernetzten Wohnen, seien erste Vorboten einer Konvergenz.

«Derzeit brauchen wir in der Bauindustrie Computer vor allem, um Pläne zu zeichnen. Könnten wir diese Maschinen nicht besser einsetzen?», fragte Deepak Aatresh, Co-Gründer und Geschäftsführer von Aditazz. Die Firma versteht sich als algorithmenbasierter Generalplaner und baut in den USA beispielsweise Spitäler. Automatisierte Computerprogramme übernehmen bei Aditazz die Planungsaufgaben, unter anderem mit «rule-based design». Interessant ist zum Beispiel das Potenzial dieser automatisierten Planung für Industrieanlagen: Prozessdiagramme für die Herstellung chemischer Produkte können mit der Software von Aditazz automatisch in 3D-Pläne für die entsprechenden Reaktoren, Tanks und Leitungsverbindungen umgesetzt werden. Alle Bauten gehörten im Prinzip derselben Kategorie an, sagte Deepak: «Gebäude sind Sammlungen von 3D-Objekten, die durch Regeln verbunden werden, das ist im Prinzip alles.»

Verdrängung oder Fortschritt?
«Architektur ist nicht objekt-, sondern subjektbezogen», meinte hingegen Sacha Menz, Professor für Architektur und Bauprozesse an der ETHZ. Anhand der Autobranche illustrierte er die wesentlichen Treiber für das, was gemeinhin Fortschritt genannt wird: «Wir wollen immer mehr Komfort, Sicherheit, neue Trends und neue Formen.» Im Gegensatz zur kontinuierlichen Erzählung des «Weniger ist mehr» steige deshalb der Ressourcenverbrauch seit Jahrzehnten. Mit neuen Zugängen – etwa dem von Computern berechneten und von Robotern erstellten Dach des 2016 eröffneten «Arch Tec Lab» an der ETH Zürich – könne man Objekte schaffen, die trotz automatisierter Fertigung offen für Subjekte und damit Interaktion sind. Mit Leichtbau und kluger Verdichtung könne der Schweizer Gebäudepark ebenso modernisiert werden wie mit dezentraler Gebäudetechnik.

Urs von Arx, CEO von Hefti Hess Martignoni (HHM), sieht in der Zukunft mehr Chancen als Risiken für die Planer. Digitale Technologien und Prozesse verschmelzen heute in nahezu allen Bereichen, von der Zusammenarbeit über die Bildung bis zum Gesundheitswesen. Den technischen Fortschritt sieht von Arx darum durchaus auch als «Enabler». Als Beispiel wählte er Multiroom-Audiosysteme: «Vor zehn Jahren benötigte man dafür noch teure Komponenten von Revox oder Bose. Heute kann man für wenige hundert Franken ein paar Sonos-Boxen kaufen und in kürzester Zeit selber ein tadelloses System einrichten.» Auch in der Gebäudetechnikbranche werde es durch den Markteintritt neuer Player zu grossen Vereinfachungen kommen. Ein Beispiel dafür sind die modularen Aktivhäuser von Werner Sobek, die im Prinzip nur noch Anschlüsse für Energieversorgung, Wasser und Abwasser benötigen.

Bessere Arbeitsplätze
Hannes Mayer, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl von Gramazio & Kohler an der ETH Zürich, berichtete aus der Praxis des robotergestützten Bauens: «Für die Dachkonstruktion des Arc Tec Lab mussten wir eine Million Nägel nach SIA-Normen platzieren. Solche Aufgaben sind mit herkömmlichen Abläufen unmöglich zu lösen.» Jedoch könne man bestehende Normen in ein Bausystem überführen und damit automatisieren. Die Digitalisierung übernehme heute die Funktion einer lingua franca, resümierte Mayer: «Ingenieure und Architekten schreiben beide in der Programmiersprache Python. So sprechen beide vom Gleichen und können sich gut miteinander verständigen.»

Doch welche Folgen haben die neuen Prozesse auf die Arbeit in der Baubranche? Dieser Frage ging eine Podiumsdiskussion auf den Grund. Urs von Arx prognostizierte eine Verlagerung von Arbeitsplätzen: «Beim Holzbau sehen wir, dass längst nicht alles von Maschinen produziert wird. Vielmehr gibt es mehr Arbeitsplätze in der Fertigungshalle. Das muss nicht schlecht sein. Die Arbeit auf der Baustelle gehört ja nicht gerade zu den gesündesten.» Auch Hannes Mayer verwies auf den Holzbau: «Manche Firmen, die schon vor Jahren in Roboter investiert haben, wie etwa die Firma Erne, gehören heute zu den Leadern, beschäftigen aber immer noch zahlreiche Fachleute.»

Innovativer Nachwuchs
Mit dem «Students Competition»-Ausbildungspreis des SWKI werden Bachelor- und Masterarbeiten von jungen Gebäudetechnikern ausgezeichnet. Den ersten Preis erhielten Gregor Jeker und Timotheus Zehnder für Ihre «Empfehlung für ein Anergienetz zum Heizen und Kühlen». Die zwei Studenten untersuchten ein Niedertemperaturnetz für das Areal des Universitätsspitals Zürich. Dazu evaluierten sie unter anderem die Energiebilanz verschiedener Netzvarianten und die Dimensionierung eines Erdspeichers. Als Empfehlung resultiert ein Zweileiternetz mit einem Warmleiter (7–19 Grad) und einem Kaltleiter (3–15 Grad). Jeder Netzteilnehmer kann dank des bidirektionalen Energieflusses als Energiequelle oder -senke dienen, der Erdspeicher fungiert dabei als Puffer. Durch eine Ring-, anstelle einer Baumstruktur, kann zudem die Versorgungssicherheit erhöht werden.

Neue, branchenfremde Mitbewerber
Marc Beermann, Mitgründer und COO der Allthings Technologies AG, verglich die Immobilienbranche mit den Fluggesellschaften der Nachkriegszeit. Erst durch die Einführung immer besserer elektronischer Buchungssysteme gelang es den Airlines, in direkten Kontakt mit ihren Kunden zu treten. Überträgt man dieses Prinzip auf die Immobilienbranche, könnten Gebäudebesitzer in Zukunft direkt mit ihren Mietern kommunizieren – der bisherige Intermediär, also die klassische Bewirtschaftungsfirma, entfällt in diesem Modell. «Immobilienbewirtschaftung funktioniert heute noch weitgehend so wie vor 50 Jahren. Das wird sich ändern», sagte Beermann. Ein Indiz dafür ist der Markteintritt von grossen IT-Playern in die Baubranche. So baut etwa Alphabet, die Muttergesellschaft von Google, einen ganzen Stadtteil in Toronto.

Effiziente Vorfertigung
Was die Holzbauer seit Jahrzehnten vormachen, wird nun von anderen Branchen entdeckt: Vorfertigung im Werk, schnelle Montage auf der Baustelle. Ein Beispiel dafür ist der Neubau des «B&B Airport Hotel» in Rümlang. Das sechsgeschossige Gebäude umfasst 170 Zimmer und wurde inklusive aller Gewerke in BIM LOD500 konstruiert. Vom Spatenstich bis zur Eröffnung dauerte es lediglich 15 Monate. «Für uns gibt es keine halben BIM-Lösungen. Wenn schon, setzen wir vollständig auf BIM, und zwar bis zum letzten Detail», sagte Michael Scheiwiller, Leiter Projektentwicklung bei Methabau. Als Premiere wurden in Rümlang auch die insgesamt 18 Elektro-Steigzonen vorgefertigt. Sie umfassen unter anderem alle Komponenten für Elektroinstallation, Heizung, Kühlung, Kaltwasser und sogar Frischwasserstationen sowie Dämmungen und Brandschutzklappen. Auf der Baustelle konnten die 18 Meter langen Module in ungefähr 15 Minuten eingebaut werden.

Bummler- und Expressverbindungen
Seit einigen Jahren zeichnet sich ab, dass sich das Smart Home als Teil des Internets der Dinge (Internet of Things, IoT) weiterentwickeln wird, zum Beispiel mit LoRaWAN. Diese Technologie kann sowohl selber aufgebaut als bei kommerziellen Providern (z. B. Swisscom LPN) eingekauft werden. In einigen Siedlungen und Stadtteilen sind bereits LoRa-fähige Verbrauchszähler für Strom, Gas oder Wasser verbaut. «Ein grosser Vorteil dieser batteriebetriebenen Sensoren ist ihre lange Lebensdauer von 5–15 Jahren», erläuterte Christian Grasser, Geschäftsführer des Telecom-Branchenverbandes asut. Am anderen Ende des Spektrums steht schon bald der Mobilfunk: In der Schweiz soll ab 2019 der neue Standard 5G eingeführt werden. Er kann bis zu 1 Million Geräte pro Quadratkilometer gleichzeitig verbinden. Der aktuelle Standard 4G schafft hingegen nur 1000 Geräte pro Quadratkilometer.

Und wo bleibt die Sicherheit?
Die Begeisterung für aggregierte Daten, Cloud-Lösungen und digitalisiertes Planen und Bauen verstellt zuweilen den Blick für die Sicherheit. Das entsprechende Bewusstsein ist in der Baubranche aber noch kaum vorhanden, was sich unter anderem im euphorischen Anschliessen von «Dingen» ans Internet zeigt. Martin Leuthold, Mitglied der Geschäftsleitung von Switch, sprach deshalb von einem «Internet of insecure things». Bei Millionen von Smart-Home-Komponenten gebe es diesbezüglich ein Marktversagen. «Sicherheit kostet nur, und dafür mag niemand bezahlen. Deshalb werden wir Minimalstandards definieren müssen, wie sie zum Beispiel auch für Elektrogeräte gelten», forderte Leuthold. Nur so könne man sich vor den wachsenden Bedrohungen, etwa durch organisierte Kriminalität, schützen. Sicherheit sei für alle Unternehmungen unverzichtbar, sagte Leuthold, und an den entsprechenden Investitionen führe kein Weg vorbei: «Sie können eine Feuerwehr auch nicht erst aufbauen, wenn es brennt.»

Der nächste Gebäudetechnik Kongress findet am 3. Oktober 2019 wiederum im KKL Luzern statt.