Das neueste Leuchtturmprojekt moderner Bauweise «Bauen 2050» der Stiftung Umwelt Arena Schweiz ist ein Powerhaus im Dienst der Mieter, des Investors und der Umwelt. Die Bewohner haben ein vorgegebenes Energieverbrauchsbudget, in dessen Rahmen sie Wärme und Haushaltstrom zum Nulltarif erhalten.
Die CO2-neutrale Wohnüberbauung im Kessler 5/7/9 in Urdorf, Kanton Zürich, mit 39 Wohnungen beinhaltet ein Gesamtenergiekonzept, welches Vorteile für die Mieter, den Investor und die Umwelt. «Bauen 2050» ist ein zukunftsfähiges Projekt mit Nachahmungspotenzial, weil es hilft, die Ziele der Energiestrategie des Bundes zu erreichen und eine Lösung aufzeigt, der Winterstromlücke entgegenzuwirken.
Ein Ziel der Stiftung Umwelt Arena Schweiz ist die Information und Sensibilisierung der Bevölkerung sowie Investoren hinsichtlich Energieeffizienz. Die Umwelt Arena möchte Menschen inspirieren und begeistern, bewusst und nachhaltig zu leben. Jeder kann mit vermeintlich kleinen alltäglichen Handlungen im Haushalt einen Beitrag zu einem nachhaltigen Umgang mit unseren Ressourcen leisten.
Mit Unterstützung der Hausautomation und des Smart-Home-Systems mit täglich aktuellem Verbrauchsstand, haben die Bewohner der Wohnüberbauung ihr persönliches Energiebudget jederzeit unter Kontrolle und so eine aktive Sparmöglichkeit. Unterstützung bieten auch wetterbedingt steuerbare Sonnenstoren, energieeffiziente, vernetzte Haushaltsgeräte der höchsten Effizienzklasse und die Dusche mit Wärmerückgewinnung.
Die Wasserarmatur in der Küche enthält, neben der Wasserspardüse, auch einen zusätzlichen Trinkwasserhahn mit Filter. Mit diesem Filter werden Bakterien, Viren, Keime, Mikroplastik, Rost, Chlor, Gerüche und Arzneimittelrückstände aus dem Leitungswasser entfernt.
Eine CO2-gesteuerte Komfortlüftung sorgt für ein energiesparendes und ausgewogenes Raumklima. Sogar wenn die Bewohner Lift fahren, wird Strom produziert. Der energieeffiziente Lift verfügt einerseits über einen minimalen Standby-Verbrauch und andererseits wird die bei Bremsvorgängen per Rekuperation entstehende Energie ins Gebäudenetz zurückgespiesen und nicht, wie früher üblich, als Wärme «vernichtet».
Yannic Zemp, einer der neuen Mieter im Haus, meint: «Ich bin gespannt, ob ich zu viel Warmwasser oder Strom verbrauche und, ob ich dann mein Wohnverhalten aufgrund meiner Verbrauchsstatistiken anpassen werde». Spannend wird es – denn die Mieter in diesem Haus zahlen keine Energiekosten für Haushaltsstrom, Wärme und Kühlung, solange sie im Rahmen des zugeteilten Energiebudgets liegen.
Halbierung der benötigten Energiemenge
Das Gebäude des Architekten René Schmid, René Schmid Architekten AG Zürich, zeigt auf, dass mit Überschuss-Solarenergie vom Sommer (Photovoltaikanlage auf dem Dach und an der Fassade) erneuerbares, nicht fossiles Gas für den Winter hergestellt werden kann.
Bei tiefem Sonnenstand, im Winter, bei Nacht, Schnee und Regen erzeugt ein windrichtungsunabhängiges hybrides Wind-Solar-Kleinkraftwerk aus Wind und Sonne zusätzliche erneuerbare Energie. Auf den Import fossiler Energie kann damit verzichtet werden, denn das Gebäude produziert auch dann mittels Hybridbox Strom, wenn er am meisten benötigt wird, nämlich im Winter. Die Hybridbox, eine intelligente, vorausschauende Energiezentrale nutzt zur Energiegewinnung, neben erneuerbaren Gasen, Erd- und Umgebungswärme. Die Fassaden- und Dachdämmung schützt das Haus gegen Kälte und Wärme. Im Hochsommer kann überschüssige Wärme den Wohnungen entzogen und für die Warmwasseraufbereitung genutzt werden. Der Rest wird über die Erdsonden ins Erdreich eingelagert. Diese einfache Gebäudekühlung (Free Cooling) sorgt für angenehme Raumtemperaturen im Hochsommer.
Fünf Erdsonden mit je einer kürzeren Sommer- und einer längeren Wintersonde wurden gesetzt. Mit dieser neuen Konstruktion der Erdsonden kann im Sommer die überschüssige Wärme im oberen Bereich eingelagert werden. Im Winter erzielt man dadurch eine höhere Effizienz, weil die Wärme aus der Tiefe der Erdsonde beim Durchdringen der oberen, vorgewärmten Erdschichten weniger Verluste aufweist. Für den kurzzeitigen Ausgleich von Strom steht ein Batteriespeicher zur Verfügung. Der Überschussstrom vom Sommer wird zur Produktion von erneuerbarem Gas verwendet. Die langfristige Speicherung funktioniert über Power-to-Gas. Mittels einer Power-to-Gas-Anlage kann der selbst produzierte, erneuerbare Strom in Wasserstoff und über eine Methanisierung in erneuerbares Gas umgewandelt und im bestehenden Gasnetz für den Winter zwischengelagert werden.
Naturnahe Umgebungsgestaltung
Die naturnahe Umgebungsgestaltung beinhaltet zur Biodiversitätsförderung eine bewusste Auswahl an Pflanzenarten, ergänzt mit gestalteten Lebensräumen für Insekten, Kleintiere und Vögel. Es entstanden Totholzinseln, wie ein Asthaufen, Ruderalflächen mit Steinhaufen, Trockensteinmauern, Wildbienennisthilfen, Blumenwiesen und Hecken. All dies dient dem Erhalt der Artenvielfalt von Pflanzen und Tieren. Wir sind gespannt auf Berichte der Bewohner über allfällige Beobachtungen von seltenen Vögeln, Schmetterlingen, Eidechsen oder Blindschleichen.
Minergie + 3 Gewinner
Die Umwelt Arena hat in diesem Projekt auch mit Minergie Schweiz zusammengearbeitet. Das Minergie-Zertifikat «Minergie + 3 Gewinner» wurde den Verantwortlichen Ende Juni 2022 feierlich übergeben. Die Zertifizierung «Minergie + 3 Gewinner» hat durch den Minergie-Standard und die Tatsache, dass diese Standards durch intelligente Lösungen optimiert und sogar überboten werden, drei Gewinner: Den Mieter, den Investor und die Umwelt. Der Mieter profitiert von mehr Komfort und hat, trotz einer leicht höheren Miete weniger Kosten, weil die Nebenkosten für Wärme und Haushaltsstrom wegfallen; solange er im Energieverbrauchsbudget liegt. Der Investor profitiert von geringeren Unterhaltskosten und kann seine Mehrkosten kapitalisieren durch eine leicht höhere Miete. Die Umwelt profitiert von Null CO2-Ausstoss.
Die Umwelt Arena zeigt ab Mitte Juli 2022 in der neuen Ausstellung «Bauen 2050» das Projekt in Urdorf sowie Innovationen rund um das moderne Bauen.