Global und lokal steht die Planungsbranche vor zahlreichen Herausforderungen. Wohn- und Arbeitskomfort sowie eine nachhaltige Nutzung bilden ein Spannungsfeld, in dem mit technologischen Konzepten Lösungen gesucht werden. Steht der Mensch jedoch nicht im Mittelpunkt, so ergeben sich Schwierigkeiten. Das diesjährige ZIG-Planerseminar hat sich mit diesen Themen befasst und Lösungsansätze aufgezeigt. Text: Jürg Wellstein
Steht der Mensch tatsächlich im Mittelpunkt, wenn Gebäude geplant werden? Sind seine Nutzungsansprüche wirklich ernst genommen worden? Diese Fragen sowie Überlegungen zur Umsetzung wurden am 13. ZIG-Planerseminar diskutiert, das am 22. März 2017 an der Hochschule Luzern – Technik & Architektur in Horw stattfand. Sowohl global und national betrachtet, als auch auf Städte, Quartiere, einzelne Gebäude oder gar Komponenten konzentriert, bestehen zahlreiche Herausforderungen, wenn es um Komfort, Wohlbefinden und eine nachhaltige Nutzung geht. Diese Kriterien optimal zu verbinden und zu gestalten, stellt einen wesentlichen Anspruch an die Planenden dar.
Veränderungen müssen Menschen einbeziehen
Als Leiter ZIG und Moderator des Planerseminars informierte Urs-Peter Menti die Teilnehmenden zunächst über den ab April 2017 geltenden Zusammenschluss des Zentrums für Integrale Gebäudetechnik mit der Abteilung Gebäudetechnik zum neuen Institut für Gebäudetechnik und Energie. Die Aktivitäten in den Bereichen Lehre, Weiterbildung und Forschung werden damit besser verlinkt, verstärkt und erweitert.
Im Mittelpunkt muss immer der Mensch stehen! Mit dieser Feststellung leitete Klaus Peter Sedlbauer, Technische Universität München und Fraunhofer Institut für Bauphysik, die Reihe der Referate ein. Aufgrund der globalen Trends, wie dem Bevölkerungswachstum, der Verstädterung usw., sowie disruptiven Entwicklungen sind deutlich erhöhte Ansprüche an das Bauwesen zu stellen. Wohl hat der innovative Wandel bereits Ende der 1970er-Jahre mit ersten Solarhäusern begonnen und hat sich in dieser Richtung kontinuierlich weiterentwickelt, Klaus Peter Sedlbauer stellte jedoch fest: «Wir sind heute mit einem andern Energiemix unterwegs und müssen lernen, in allen Aktivitätsbereichen mit neuen Technologien umzugehen.»
Effizienz stellt eine der wesentlichen Anforderungen dar. In Gebäuden soll man sich wohlfühlen können und sie sollten einen möglichst geringen Impact auf die Umwelt ausüben. «Deshalb sind wir daran, das Konzept des CO2-neutralen Gebäudes zu entwickeln», bestätigte er diese Ausrichtung. Digitale Planung und der entsprechende Umsetzungsprozess sind von den Planenden zu nutzen und sinnvoll in ihre Arbeit zu integrieren. Mit BIM (Building Information Modeling) fasst man Rechenvorgänge zusammen und ermöglicht eine ganzheitliche Planung. Die Gefahr besteht dabei jedoch, die eigentlichen Bedürfnisse der Menschen ausser Acht zu lassen. «Wir benötigen einen integralen Komfort, der es ermöglicht, für spezifische Anwendungen individuelle Klimagegebenheiten zu realisieren», sagt Sedlbauer. Als Beispiel nannte er die Klimabrunnen, dessen Wasser zur Entfeuchtung der Luft in kleinräumigen Bereichen eingesetzt werden kann. Planen heisst heute: Umdenken von rein geometrischer Betrachtung der Gebäude zur Mensch-orientierten Nutzungsbewertung als Chance für nachhaltigere Bauten.
Vom Upscaling zur Suffizienz
Auf die in der Schweiz anvisierte Transformation des Gebäudeparks ging Peter Richner, Empa, ein. Im Rahmen des SCCER-Programms FEEB&D (Future Energy Efficient Buildings & Districts), das er seit dem Start im Jahr 2014 leitete, wurden drei Massnahmenschwerpunkte für verminderte CO2– und Energie-Intensitäten der Gebäude definiert. Mehr Effizienz durch Gebäudehüllendämmung, dynamische Verglasung für saisonale Strahlungsführung oder elektrochromatische Fenster usw. stellen wesentliche Schritte dar. «Bei zahlreichen Entwicklungsarbeiten ergeben sich im Labor und bei Pilotanwendungen zwar vielversprechende Resultate, die entstehenden Umsetzungsschwierigkeiten sehen wir dann aber beim Upscaling, also der erforderlichen Mengenproduktion», sagt Peter Richner. Der zweite Schritt wird mit dem vermehrten Einsatz von erneuerbaren Energien erreicht, wenn der Energiebedarf in Gebäuden inzwischen reduziert werden konnte. Mit der Etablierung eines dezentralen Energiesystems wird die dritte Massnahme umgesetzt. Dafür bestehen bereits GIS-Applikationen für Potenzialabklärungen und Simulationsplattformen als Hilfsmittel. «Anschliessend werden Geschäftsmodelle benötigt, um die erforderliche Marktdiffusion zu erreichen, denn die Time-to-market soll so kurz wie möglich sein», hält Peter Richner fest.
Als wesentliches Hindernis auf dem Transformationspfad betrachtet er jedoch den Mangel an Suffizienz. Sowohl die absolute als auch die spezifische Energiebezugsfläche wächst in der Schweiz und kompensiert auf diese Weise bereits erreichte Einsparungserfolge. Umso mehr muss den Effizienzgewinnen bei Komponenten, Anlagen und Systemen der Gebäudetechnik weiterhin grosse Aufmerksamkeit zukommen.
Wohlbefinden für Nutzer
Was will der Kunde im Bereich der Gebäudeautomation tatsächlich zur Verfügung haben? Hier haben sich in den vergangenen Jahren offensichtlich einige Missverständnisse eingeschlichen, wie Olivier Steiger, Hochschule Luzern, bestätigte. Nicht alles technisch Machbare ist zielführend. Der Gebäudenutzer will das Gewohnte vorfinden, z.B. den Lichtschalter in Griffnähe. Ebenso ist eine Bedienung ohne vorheriges Studium der Bedienungsanleitung wünschenswert. «Wir wollen beim Einstellen der Wohnraumtemperatur schliesslich keinen Physikunterricht absolvieren müssen», sagt Olivier Steiger. Ausserdem sollte die Bedienung jederzeit möglich sein, also unabhängig von geladenen Batterien, Internetzugang, Update-Aktualisierung usw. Solche Nutzeraspekte sind bei der Konzeption der Gebäudeautomation zu berücksichtigen, um eine uneingeschränkte Akzeptanz zu erreichen.
Wohlfühlelemente sind auch gegeben, wenn das Wohnen und die Natur in einer Symbiose erlebbar werden. Ist der jahreszeitliche Wandel der Blätterfarben vor dem Wohnungsfenster sichtbar, verschmelzen Innen und Aussen zu einer Einheit. Mit dem begrünten Wohnturm im Suurstoffi-Areal in Rotkreuz soll dies als Leuchtturmprojekt im Zentrum verwirklicht werden. Raphael Schmid, Ramser Schmid Architekten GmbH, stellte dieses im Bau befindliche Vorhaben vor. Er wies dabei auf das Vorbild bei Le Corbusier und seiner Idee gestapelter Landhäuser (Immeuble villas) aus dem Jahr 1925 hin. Eine strukturierte Fassade mit zweigeschossigen Terrassen-Bereichen wird die Pflanzen aufnehmen.
Projekte der Hochschule Luzern
Fünf Inputs von HSLU-Mitarbeitern boten einen Überblick über laufende Projekte. Ludger Fischer präsentierte das von Industrie, Politik und Hochschule getragene Zentralschweizer Projekt eines Innovationsparks «Building Excellence» mit technologischen Entwicklungen für eine Transformation des Gebäudeparks. Angestrebt wird eine Zusammenarbeit mit dem Park Zürich. Inzwischen wurden provisorische Räumlichkeiten für eine «Think Factory» und ein Prototypen-Bereich in einem der Suurstoffi-Gebäude bezogen.
Vom Festland bis zum See
Über erste Praxiserfahrungen mit dem Standard Nachhaltiges Bauen Schweiz (SNBS 2.0) sprach Urs-Thomas Gerber, CSD Ingenieure AG. Bereits bei sechs Objekten konnte das Label vergeben werden. Die gegenüber dem Vorgängerkonzept durchgeführten Anpassungen (Reduktion der Indikatoren, Online-Nachweis usw.) haben sich bewährt. Die Akzeptanz in der Branche ist vorhanden, Optimierungen sind angedacht und weitere Nutzungsprofile werden diskutiert.
Dass Gebäudetechnik und die dafür etablierten Simulationstechniken auch für den Bau von Fahrgastschiffen nutzbar sind, schilderte David Müller, Shiptec AG. Für das neueste Schiff auf dem Vierwaldstättersee wurden hohe Energieeffizienzziele im Pflichtenheft festgehalten. Beim grössten Energieverbraucher, dem Antrieb, konnten Reduktionen von bis zu 30 Prozent durch einen Hybrid-Antrieb mit Diesel- und Elektromotor erreicht werden. Antriebsabwärme dient zur Beheizung, ein Warmwasserspeicher ermöglicht die thermische Überbrückung von Aufenthalten an Landungsstegen und die Kühlung der Räume erfolgt durch Seewasser. Mit diesen Massnahmen wird die HLK-Technik auf dem Schiff um bis zu 20 Prozent effizienter.
Weitere Informationen:
Das 14. ZIG-Planerseminar findet am Mittwoch, den 21. März 2018 statt.
www.hslu.ch/planerseminar