Power-to-Gas für Selbstversorger

Emanuele Moioli untersucht am PSI unter anderem, wie sich die Energieversorgung von Haushalten in Zukunft nachhaltiger gestalten lässt. Foto: Paul Scherrer Institut/Markus Fischer
Emanuele Moioli untersucht am PSI unter anderem, wie sich die Energieversorgung von Haushalten in Zukunft nachhaltiger gestalten lässt. Foto: Paul Scherrer Institut/Markus Fischer

Forschende des Paul Scherrer Instituts PSI in Villigen haben einen chemischen Reaktor entwickelt, der mit Solarstrom aus Wasser und Kohlendioxid synthetisches Erdgas für das Heizen von Wohngebäuden herstellt. Die neue Anlage lohnt sich sogar für einzelne Mehrfamilienhäuser, wie eine neue Studie jetzt nachweist.
Text: Jan Berndorff

 

Die derzeit rasant steigenden Energiepreise wecken unter anderem das Interesse an Alternativen zu den bisherigen Erdgasimporten. Eine Möglichkeit dafür stellen Verfahren dar, die unter dem Begriff Power-to-Gas zusammengefasst werden. Die Idee dahinter: Die Eigenversorgung mit Gas, indem der Brennstoff synthetisch hergestellt wird. So lässt sich im Sommer, wenn die Sonne lange scheint und wenig oder gar nicht geheizt werden muss, mithilfe von Stromüberschüssen aus Photovoltaikanlagen Methan aus Wasser und Kohlendioxid produzieren. Methan ist der Hauptbestandteil von natürlichem Erdgas und ist ohne Aufbereitung als solches verwendbar. Das Methan kann deshalb ins existierende Erdgasnetz eingespeist oder in den vorhandenen Erdgasspeichern gelagert werden. Vor allem im Winter, wenn es kalt und Sonnenstrom rar ist, kann man es dann beispielsweise zum Heizen einsetzen.

Das hält nicht nur die Wohnung warm, es hat auch den Nebeneffekt, dass der Stromüberschuss, der im Sommer anfällt, sinnvoll genutzt wird. Den Strom etwa in einer Batterie zu speichern, lohnt oft nicht, denn solche Batterien sind gross, entsprechend teuer und verursachen bei ihrer Herstellung hohe Umweltkosten.

Stromüberschüsse in synthetisches Erdgas umzuwandeln hat also den Vorteil, Energie auch für den späteren Verbrauch vorhalten zu können, in einem Speicher, der längst existiert und nicht extra gebaut werden muss. Noch dazu würden entsprechende Verfahren die Unabhängigkeit von Gasimporten erhöhen und die Auswirkungen von schwankenden Marktpreisen abfedern.

Der Knackpunkt ist die Effizienz
Das Prinzip von Power-to-Gas für Selbstversorger leuchtet also ein. Es hat bislang jedoch einen Haken: die Effizienz. Bei der Umwandlung des Stroms in Erdgas geht eine Menge Energie als Abwärme verloren – bis zur Hälfte der eingesetzten Energie. Und für die Nutzung von Abwärme gab es bislang nur grosstechnische Lösungen etwa bei Fabriken und Müllverbrennungsanlagen. Dies haben Forschende des PSI um den Chemieingenieur Emanuele Moioli nun geändert: Vergangenes Jahr präsentierte das Team ein Power-to-Gas-System für den Hausgebrauch, das deutlich effizienter ist. Es nutzt die frei werdende Abwärme, um damit das Brauchwasser im Haus zu erhitzen. Das Gerät sorgt also nicht nur für Brennstoff zum Heizen im Winter, sondern auch ganzjährig für Warmwasser. «Das braucht man auch im Sommer etwa fürs Duschen, Kochen und Waschen», sagt Moioli.

Die Anlage besteht im Wesentlichen aus zwei Komponenten: einem PEM-Elektrolyseur (Proton Exchange Membrane), der per Elektrolyse aus Wasser (H2O) reinen Wasserstoff (H2) gewinnt. Und einem kleinen chemischen Reaktor, der aus dem Wasserstoff und Kohlendioxid (CO2) Methan (CH4) herstellt. Dabei werden Sauerstoff (O2) und Abwärme frei, wobei Letztere eben nicht mehr ungenutzt verpufft. Stattdessen fungiert der Reaktor selbst als Wärmetauscher und erhitzt direkt das Brauchwasser auf rund 80 Grad.

In einer neuen Studie, erschienen im Fachmagazin RSC Advances der britischen Royal Society of Chemistry, wies Moioli nun nach, dass das Gerät – je nachdem, an welchem Ort der Schweiz es genutzt wird – zwischen 20 und 40 Prozent des jährlichen Energiebedarfs eines grossen Wohnhauses decken kann. Dazu simulierte er in einem Computermodell den Einsatz des Systems in einem Haus mit 64 Haushalten auf 16 Stockwerken, das über eine Photovoltaikanlage von 800 m2 auf Dach und Südfassade verfügt. Einmal berechnete er die Bilanz für Brugg im Norden der Schweiz, einmal für Sion in den Hochalpen und einmal für Lugano im äussersten Süden des Landes. In Brugg konnte sich das Haus zu gut 31 Prozent selbst versorgen, in Sion, wo es im Schnitt deutlich kühler ist, zu knapp 21 Prozent und im warmen Lugano zu über 37 Prozent. In jedem Fall ersparte die Anlage der Umwelt rund 20 Prozent CO2-Emissionen im Vergleich zu einer normalen Gasheizung.

Die Technologie rentiert auch finanziell
Eine wichtige Frage ist natürlich, ob sich die Technologie unterm Strich auch wirtschaftlich lohnt. «Als die Studie vor dem Ukrainekrieg erschien, lagen die Preise für Strom und Biogas noch so, dass die Anlage sich nicht gerechnet hätte», sagt Moioli. «Doch inzwischen hat sich allein der Biogas-Preis auf 12 bis 15 Cent pro Kilowattstunde fast verdoppelt. Dadurch wäre die Anlage, eine Nutzungsdauer von 20 Jahren angenommen, heute schon rentabel.»

Die weitere Preisentwicklung hat sicherlich einen grossen Einfluss darauf, ob und wie weit sich die Technologie durchsetzen wird. Dabei konkurriert Power-to-Gas zum Beispiel mit Wärmepumpen, die unter Einsatz von Strom Heizenergie aus der Umgebungswärme eines Hauses oder der Wärme des Grundwassers zieht. Auch diese sind in den letzten Jahren immer effizienter geworden und ersetzen heute in vielen Häusern Gas- oder Ölheizung. «Sie sind eine tolle, umweltfreundliche Lösung», sagt Moioli. «Allerdings erfordern sie den Kauf von Strom im Winter – gerade dann, wenn Sonnenstrom rar und der Preis deswegen hoch ist. Dieses Problem kann ich mit Power-to-Gas umgehen.»

Aber funktioniert das auch für kleinere Wohneinheiten wie zum Beispiel Einfamilienhäuser? «Funktionieren würde es schon, jedoch die Effizienz leidet», sagt der PSI-Forscher. «In einem Einfamilienhaus kann man die Abwärme einer solchen Anlage nicht komplett selbst nutzen. Bei mehreren Wohnparteien lässt sich die Energie effizienter verteilen.»

Finanziert wurde Moiolis Studie vom Schweizer Bundesamt für Energie im Rahmen des Projekts Untersuchungen zur dezentralen Einspeisung erneuerbarer Energien in der Stadt, im Mittelland und in den Alpen.