Am 14. Oktober 2020 hat die Europäische Kommission ihre Strategie für eine Renovierungswelle zur Verbesserung der Energieeffizienz von Gebäuden veröffentlicht. Die Kommission beabsichtigt, die Renovierungsquote in den nächsten zehn Jahren mindestens zu verdoppeln und durch Renovierungen für mehr Energie- und Ressourceneffizienz zu sorgen. Bis 2030 könnten 35 Millionen Gebäude renoviert und bis zu 160’000 zusätzliche Arbeitsplätze im Baugewerbe geschaffen werden.
Auf Gebäude entfallen zirka 40 Prozent des Energieverbrauchs in der EU und 36 Prozent der Treibhausgasemissionen. Aber jedes Jahr wird lediglich 1 Prozent des Gebäudebestands durch Renovierungen energieeffizienter. Somit ist es von entscheidender Bedeutung, dass wirksame Massnahmen ergriffen werden, um Europa bis 2050 klimaneutral zu machen. Fast 34 Millionen Europäer können es sich nicht leisten, ihre Wohnung zu heizen. Massnahmen zur Erhöhung der Energieeffizienz dienen daher auch zur Bekämpfung von Energiearmut. Sie wirken sich positiv auf die Gesundheit und das Wohlergehen der Menschen aus und helfen dabei, die Energierechnungen niedrig zu halten.
Der für den europäischen Grünen Deal zuständige Exekutiv-Vizepräsident Frans Timmermans erklärte dazu: «In Europa sollen Beleuchtung, Heizung oder Kühlung der eigenen vier Wände kein Luxus sein, der verheerende Folgen für die Finanzen oder den Planeten hat. Durch die Renovierungswelle werden die Gebäude, in denen wir arbeiten, leben und lernen, verbessert. Gleichzeitig werden unsere Auswirkungen auf die Umwelt verringert und Tausende von Arbeitsplätze für die Menschen in Europa entstehen. Wir brauchen bessere Gebäude, wenn uns an einem besseren Wiederaufbau gelegen ist.»
Kadri Simson, EU-Kommissarin für Energie, ergänzte: «Der grüne Aufschwung beginnt bei uns allen zu Hause. Die Renovierungswelle sieht Massnahmen zur Beseitigung der zahlreichen Hindernisse vor, aufgrund derer Renovierungen derzeit noch kompliziert, teuer und zeitaufwendig sind und viele dringende Vorhaben nicht in Angriff genommen werden. Wir werden bessere Möglichkeiten zur Messung des Nutzens von Renovierungen vorschlagen. Mindestnormen für die Gesamtenergieeffizienz, mehr finanzielle Unterstützung der EU und technische Hilfe werden Finanzierungen durch «grüne» Hypotheken begünstigen und die Nutzung erneuerbarer Energien für die Wärme- und Kälteerzeugung fördern.
Durch die Strategie erhalten Massnahmen in drei Bereichen Priorität: Dekarbonisierung der Wärme- und Kälteerzeugung, Bekämpfung von Energiearmut und Massnahmen für Gebäude mit der geringsten Energieeffizienz sowie Renovierung öffentlicher Gebäude (Schulen, Krankenhäuser, Verwaltungsgebäude usw.). Die Kommission schlägt vor, die in der gesamten Renovierungskette – von der Planung und Finanzierung eines Projekts bis zu dessen Fertigstellung – bestehenden Hindernisse durch eine Reihe von Massnahmen und Instrumenten in den Bereichen Finanzierung und technische Unterstützung zu beseitigen.
Die Strategie wird folgende Leitaktionen umfassen:
- Strengere Vorschriften, Standards und Informationen in Bezug auf die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden, um Renovierungen im öffentlichen und privaten Sektor attraktiver zu machen. Darunter fallen auch die schrittweise Einführung verbindlicher Mindestnormen für die Gesamtenergieeffizienz bestehender Gebäude, aktualisierte Vorschriften für Energieeffizienzausweise und eine etwaige Ausweitung der Renovierungsanforderungen für den öffentlichen Sektor;
- Gewährleistung einer leicht zugänglichen und gezielten Finanzierung, unter anderem durch die europäischen Vorzeigeprojekte «Renovieren» und «Vorantreiben», die in der Aufbau- und Resilienzfazilität im Rahmen von NextGenerationEU vorgesehen sind, vereinfachte Regeln für die Kombination verschiedener Finanzierungskanäle und vielfältige Anreize für private Finanzierungen;
- Ausbau der Kapazitäten für die Vorbereitung und Durchführung von Renovierungsprojekten. Dies reicht von der technischen Unterstützung der nationalen und lokalen Behörden bis hin zu Ausbildungs- und Qualifizierungsmassnahmen zugunsten von Beschäftigten, die die neuen «grünen Arbeitsplätze» ausfüllen;
- Ausweitung des Marktes für nachhaltige Bauprodukte und -leistungen; darunter fallen die Integration neuer Werkstoffe und naturbasierte Lösungen sowie die Überarbeitung der Rechtsvorschriften über die Vermarktung von Bauprodukten und Zielvorgaben für Wiederverwendung und Verwertung;
- ein neues europäisches Bauhaus, ein interdisziplinäres Projekt, dem ein Beratungsgremium aus externen Sachverständigen aus Wissenschaft, Architektur, Design, Kunst, Planung und Zivilgesellschaft vorstehen wird. Bis Sommer 2021 wird die Kommission einen breit angelegten, partizipativen Prozess zur gemeinsamen Gestaltung einleiten, bevor sie ein Netz von fünf Gründungs-Bauhäusern im Jahr 2022 in verschiedenen EU-Ländern einrichtet.
- Entwicklung von stadtteilbezogenen Konzepten für lokale Gemeinschaften, um auf erneuerbaren Energien und Digitalisierung basierende Lösungen zu integrieren und Bezirke mit ausgeglichener Energiebilanz zu schaffen, in denen die Verbraucher zu Prosumenten werden, die Energie an das Netz verkaufen. Die Strategie umfasst auch eine für 100 Bezirke ausgelegte Initiative für bezahlbaren Wohnraum.
Im Zuge der für Juni 2021 vorgesehenen Überprüfung der Erneuerbare-Energien-Richtlinie wird erwogen, den Vorgaben für die Wärme- und Kälteerzeugung aus erneuerbaren Quellen einen höheren Stellenwert zu geben und ein Mindestniveau an Energie aus erneuerbaren Quellen in Gebäuden einzuführen. Die Kommission wird auch prüfen, wie die Haushaltsmittel der EU neben den Einnahmen aus dem EU-Emissionshandelssystem (EU-EHS) zur Finanzierung nationaler, auf einkommensschwächere Bevölkerungsgruppen zugeschnittener Energieeffizienz- und Energiesparprogramme eingesetzt werden könnten. Der Ökodesign-Rahmen wird weiterentwickelt, damit effiziente, gebäudegerechte Produkte auf den Markt gebracht und ihre Verwendung gefördert werden.
Bei der Renovierungswelle geht es nicht nur darum, den vorhandenen Gebäudebestand energieeffizienter und klimaneutral zu gestalten. Sie kann eine umfassende Veränderung der Städte und der baulich gestalteten Umwelt auslösen. Und sie kann eine Chance sein, einen zukunftsorientierten Prozess einzuleiten, mit dem Nachhaltigkeit und Ästhetik in Einklang gebracht werden. Wie Präsidentin von der Leyen angekündigt hat, wird die Kommission mit einem neuen europäischen Bauhaus eine neue europäische Ästhetik fördern, die Funktion und Erfindergeist miteinander vereint.
Hintergrund
Durch die COVID-19-Krise sind die Gebäude, ihre Bedeutung für den Alltag und ihre Schwachstellen in den Fokus gerückt. Während der gesamten Pandemie hat sich das tägliche Leben von Millionen Europäern in ihrem Heim abgespielt: Es diente als Home-Office, als improvisierte Kindertagesstätte oder behelfsmässiges Klassenzimmer.
Von Investitionen in Gebäude können dringend benötigte Impulse für das Baugewerbe und die gesamte Wirtschaft ausgehen. Renovierungsarbeiten sind arbeitsintensiv, schaffen Arbeitsplätze und führen zu Investitionen, die oftmals mit lokalen Lieferketten verknüpft sind, erhöhen die Nachfrage nach besonders energieeffizienten Geräten, sorgen für mehr Klimaresilienz und steigern den langfristigen Wert von Immobilien.
Damit das von der Kommission im September 2020 vorgeschlagene Emissionsminderungsziel von mindestens 55 Prozent bis 2030 erreicht werden kann, muss die EU die Treibhausgasemissionen von Gebäuden um 60 Prozent, ihren Energieverbrauch um 14 Prozent und den Energieverbrauch für Heizung und Kühlung um 18 Prozent senken.
Die politischen Massnahmen und Finanzierungen der EU haben sich bereits positiv auf die Energieeffizienz von Neubauten ausgewirkt, bei denen der Energiebedarf heute nur halb so hoch ist wie bei Gebäuden, die vor mehr als 20 Jahren errichtet wurden. In der EU sind allerdings 85 Prozent der Gebäude über 20 Jahre alt, und 85 bis 95 Prozent dürften 2050 noch bestehen. Die Renovierungswelle ist erforderlich, damit für diese Gebäude ähnliche Standards erreicht werden.
Weitere Informationen:
Energiearmut (Analyse ZHAW und Bundesamt für Wohnungswesen BWO)