Silo mit Weitblick

Die WPP Architektur Raum Umwelt AG hat gemeinsam mit der Bauherrin HLM AG ein ehemaliges Sägemehlsilo in einen gastronomischen und architektonischen Leuchtturm transformiert. Foto: Jean-Luc Grossmann
Die WPP Architektur Raum Umwelt AG hat gemeinsam mit der Bauherrin HLM AG ein ehemaliges Sägemehlsilo in einen gastronomischen und architektonischen Leuchtturm transformiert. Fotos: Jean-Luc Grossmann

Das Architekturbüro WPP Architektur Raum Umwelt AG hat ein altes Sägemehlsilo in Einsiedeln in einen 30 Meter hohen Turm mit einer vielfältigen gastronomischen Nutzung transformiert. Entstanden ist ein spannungsvoller Ort, der Neu und Alt vereint und als architektonische Landmarke weit über das Klosterdorf hinausstrahlt.
Text: Sandra Aeberhard,
Faktor Journalisten Zürich

Am Ortsrand von Einsiedeln ist in den vergangenen zwei Jahren ein neues, weitherum sichtbares Gebäude entstanden, das die Silhouette des Dorfes künftig mitprägen wird. In der Industriezone Kobiboden hat das ortsansässige Architekturbüro WPP Architektur Raum Umwelt AG ein altes Sägemehlsilo in einen markanten Turm transformiert, der ein vielfältiges gastronomisches Angebot beherbergt und Aussicht auf Kloster, Dorf und Hochtal gewährt.

Der 30 Meter hohe Baukörper trägt den Namen «SILO» und wurde von der Firma Leuthold Mechanik AG (HLM) realisiert. Vor der Übernahme durch HLM gehörte das Areal einer Möbelmanufaktur und das Silo diente als Lager für die Holzspäne. Da HLM keine betriebliche Verwendung für den Bau hatte, stellte sich die Frage nach einer neuen Nutzung. Das WPP Team entwickelte zusammen mit dem Eigentümer der HLM die Idee, das gesamte Silo in einen für Einsiedeln einmaligen gastronomischen Hotspot zu verwandeln.

Komplexität und Widerspruch
Von weitem zieht das neue Gebäude im Klosterdorf insbesondere durch seine Höhe die Aufmerksamkeit auf sich. Aus der Nähe betrachtet, überrascht das Volumen mit einer Reihe an detailreichen gestalterischen Elementen. «Komplexität und Widerspruch» diente dem Architektenteam als Leitmotiv beim Entwurf. Rundungen und eckige Formen stehen sich gegenüber, ebenso Nischen und Auskragungen. Auch das Spiel mit Symmetrien und Asymmetrien begegnet dem Betrachter immer wieder. So nimmt man je nach Blickwinkel etwa die Stützen der ins Foyer führenden Metallbrücke als komplett willkürlich angeordnet wahr oder als Symmetrie. Auch bei der Materialisierung finden sich an verschiedenen Orten Gegensatzpaare, die für spannungsvolle Wechselwirkungen sorgen. So setzt das Architektenteam Kontrapunkte, indem es rohe Materialien wie Sichtbeton auf aufwendig veredelte Oberflächen treffen lässt.

Im Innern des Panoramarestaurants schaffen geschwungene Linien harmonische Verläufe.
Im Innern des Panoramarestaurants schaffen geschwungene Linien harmonische Verläufe.

Schwebende Plattform mit Weitblick
Das alte Betonsilo hat WPP in vier Geschosse gegliedert und in seiner Mitte einen runden Erschliessungskern mit Lift platziert, um den sich die Treppe legt. Mit der auch aussen sichtbar gemachten Integration des runden Elements in den ursprünglich kubischen Bau spielt die Architektur gekonnt mit den Assoziationen der Betrachtenden, die bei einem Silo unweigerlich an einen runden Bau denken. Blickfang des Turms ist das runde Panoramarestaurant. Wie ein Adlerhorst thront es über dem Silo und bietet den Gästen eine 360-Grad-Rundsicht über Einsiedeln und auf die umliegende Bergwelt der Voralpen. Dazu wurde ein Stahlbau auf das Silo aufgesetzt, der bis zu 15 Meter auskragend frei über dem Gebäudekomplex zu schweben scheint. Damit die Aussicht durch nichts eingeschränkt wird, ist der Rundbau mit raumhohen Fenstern ausgestattet.

Der Innenausbau des Panoramarestaurants nimmt die runde äussere Form auf und setzt sie fort. Geschwungene Linien bei der Bar, der Showküche und den Deckenpanelen schaffen harmonische Verläufe. Helles Holz gibt hier den Ton an und verbindet sich mit dem Weiss des Stucco Veneziano der die Oberflächen im Bereich der Showküche und der Bar ziert. Um optimale akustische Verhältnisse zu schaffen, übernehmen die Wände in Form von filigranen gewellten Holzelementen auch akustische Funktionen. Ebenso sind die Deckenpaneele als Akustikelemente ausgeführt, in welche die Beleuchtung integriert ist. Mit dieser umsichtigen Ausstattung wurde ein hochwertiges und komfortables Interieur geschaffen, in dem man gerne verweilt. Direkt unter der Auskragung des Panoramarestaurants befindet sich eine grosszügige Terrasse, die das Dach des ursprünglichen Silos markiert.

Individuell gestaltete Interieurs
Jeder der drei Gastrobetriebe zeigt sich mit einem individuellen Ambiente. Das dritte Obergeschoss des umgenutzten Industriebaus beherbergt eine Lounge, die auch für Hochzeiten, Firmenevents und sonstige Anlässe flexibel genutzt werden kann. Sie ist in dunklen Tönen gehalten und lässt sich je nach Bedarf in drei Räume inklusive Smoker Lounge unterteilen. Die darunter angelegte zentrale Küche beliefert die Gastrobetriebe mit Speisen. Für À-la-Minute-Zubereitungen steht in den einzelnen Restaurants die dafür nötige Infrastruktur bereit.

Wer das Gebäude vom Parkplatz her betritt, gelangt über eine Metallbrücke in das vielseitig nutzbare Foyer im ersten Obergeschoss. Dieses bildet den zentralen Eingang und bietet auch Raum für Ausstellungen. Im darunterliegenden Erdgeschoss entstand eine Betriebskantine für die Mitarbeitenden von HLM sowie umliegender Betriebe. Eine ökologische Lösung konnte für die Energieversorgung gefunden werden. So wird das gesamte Silo durch Rückgewinnung von Abwärme aus der HLM-Produktion versorgt. Die dazu benötigte Gebäudetechnik ist auf dem Dach der Anlieferungshalle untergebracht.

Für ein unvergesslichen Erlebnis tragen innovative Lösungen für Raumklima und -akustik der KST AG bei. Foto: Jean-Luc Grossmann, photopulse.ch
Für ein unvergesslichen Erlebnis tragen innovative Lösungen für Raumklima und -akustik der KST AG bei. Foto: Jean-Luc Grossmann, photopulse.ch

Komplexe Raumklimalösungen
Als direkter Nachbar der Bauherrschaft, der Leuthold Mechanik AG (HLM) in Einsiedeln, war die KST AG von Projektbeginn 2019 bis hin zur Fertigstellung intensiv in die Planung und Realisation für das Silo eingebunden. Überall dort wo die Umnutzung des ehemaligen Lagers für Holzspäne in eine einmalige und gastronomisch vielfältige Nutzung transformiert wurde, spiegeln sich die hohen ästhetischen Anforderungen der Architektur und speziellen Herausforderungen an die Infrastruktur und den Raumkomfort wider. Raumklimasysteme sind immer auch architektonische Gestaltungselemente, deren Behaglichkeit schaffenden Funktionen im Idealfall nicht aktiv wahrgenommen werden. Der KST AG ist es in enger Zusammenarbeit mit den Architekten gelungen die in allen Gebäudebereichen – ob öffentlich für Gäste zugänglich oder Bereiche der betrieblichen Infrastruktur – verbauten Systeme für das Klimatisieren, Kühlen, Heizen, Lüften und Optimieren der Raumakustik ästhetisch und nachhaltig zu realisieren.

Die Herausforderung Kantine
Das rege Kommen und Gehen am Mittag und die Nutzung als Veranstaltungsort von Generalversammlungen oder Vereinsanlässen am Abend, brauchen ein eigenes Konzept. Grosse Gruppen von Gästen in der Kantine verlangen nach einer effizienten, zugfreien Klimatisierung. Die Lösung für diesen Bereich sind aktivierte, lamellenförmige Deckenelemente, welche jederzeit für ein behagliches Temperaturprofil sorgen. Zudem lässt deren lineare Ausrichtung Beleuchtungskörper stilvoll integrieren und den Raum optisch grösser erscheinen.

Die Lounge als Ort der Entspannung dank spezieller Akustikwand
Holz prägt das einladende, warme Ambiente der Lounge. Die von der KST AG angefertigte, lamellenförmige Akustikwand, erwirkt dank hinterlegtem Absorptionsmaterial eine schallabsorbierende Wirkung. Diese Wand, welche mittels einer speziellen und eigens entwickelten Klebetechnik mit Echtholzfurnier umhüllt ist, schafft eine angenehme Raumakustik. Der linearen Wandgestaltung setzt die Gipskühl- und Heizdecke mit über 210‘000 einzeln gebohrten Löchern für das Relief einen organischen Kontrapunkt.

Die abschliessende Funktionskontrolle der Wärmestrahlung mittels Infrarotmessung bestätigt die während der Planung simulierten thermischen Werte. Fotos: KST AG
Die abschliessende Funktionskontrolle der Wärmestrahlung mittels Infrarotmessung bestätigt die während der Planung simulierten thermischen Werte. Fotos: KST AG

 

 

 

 

 

 

Für den besonderen Anlass – das Panoramarestaurant
Den Blickfang des Turms bildet das runde Panoramarestaurant, welches durch die Stahlbaukonstruktion und 360-Grad-Verglasung der Fassade freie Sicht bietet. Grosse Glasflächen bedeuten jedoch auch eine grosse Einstrahlung der Sonne. Dies wirkt sich direkt und intensiv – je nach Sonnenstand und Jahreszeit – auf die Innentemperatur aus. Das von der KST AG speziell für das anspruchsvolle Projekt entwickelte Konzept der tragenden Fassadenstützen und -brüstungen sorgen auch hier für ein optimales Raumklima und die Behaglichkeit der Gäste. Diese kühlen und heizen den 4 Meter hohen Raum, sorgen aber auch für die kontinuierliche und zugfreie Frischluftzufuhr. Bereits während der Planung mittels einem software-basierten Modell des Silos simuliert, in 3D geplant und sogenannten Computional Fluid Dynamics (CFD) digital getestet, wurde nichts dem Zufall überlassen. Dank weit über das Standardsortiment von Raumklimasystemen hinausgehende Lösungen konnten die Visionen der Bauherrschaft und des Architekten perfekt umgesetzt werden. Die fugenlose mit integrierten Leuchtenbahnen bestückte Wasserkühl- und Heizdecke sowie die wellenförmige, Frischluft zuführende Dukta-Akustikwand oder die in Stucco Veneziano veredelte Showküche der KST AG tragen dazu bei, dass das Ambiente und die Akustik im Zusammenspiel mit Gaumenfreuden den Besuch im «SILO» zum kulinarischen und ästhetischen Erlebnis werden lassen.