Holz ist ein Universalgenie. Zu diesem Schluss kommt man angesichts seiner Verwendungsmöglichkeiten. Es begleitet uns von der Wiege bis zur Bahre, hat als Balken, Brett, Papier oder Möbel eine Haltbarkeit von Jahrhunderten und lässt sich immer wieder aufarbeiten und weiterverwenden. Ganz am Schluss – nach einer mehrstufigen Nutzungskaskade – wärmt es uns klimaneutral.
Text: Christoph Rutschmann
Holz gehört zu den wenigen einheimischen Rohstoffen der Schweiz. Es wächst in unseren Wäldern stetig nach. Seine Nutzung erfolgt seit langer Zeit nachhaltig, das heisst, wir entnehmen dem Wald höchstens gleichviel Holz wie nachwächst. So konnte die Forstwirtschaft in den letzten mehr als hundert Jahren schöne Wälder mit hohen Vorräten aufbauen. Die Nachfrage nach Holz stieg in jüngerer Zeit auf allen Verwendungsebenen. Holzhäuser sind im Trend, Möbel vom Schreiner sind beliebt, und besonders stark stieg die Nutzung von Energieholz. Das ist kein Wunder, denn das Gebot der Ressourcen- und Energieeffizienz, die Energiewende sowie die spürbare Klimaerhitzung erfordern eine möglichst schnelle Abkehr von den fossilen Brenn- und Treibstoffen sowie eine sparsamere Verwendung von Baumaterialien wie Beton oder Stahl, deren Herstellung viel fossile Energie verschlingt. Unter diesen Aspekten rückt das sogenannte RRR-Prinzip ins Zentrum.
RRR ist ressourcenschonend und klimafreundlich
RRR steht für Reuse-Repair-Recycle (Wiederverwenden-Reparieren-Rezyklieren). Damit ist ein effizienter und nachhaltiger Umgang mit Materialien aller Art gemeint. RRR will ein Produkt am Ende seiner Lebensdauer einer weiteren Verwendung in unveränderter, reparierter oder in einer anderen Form zuführen, statt einfach zu verbrennen oder zu deponieren. Damit strebt man eine Verwendungskaskade über möglichst lange Zeit an. Holz eignet sich für RRR besonders gut. Nach einer erstmaligen Verwendung beispielsweise als Balken in einem Haus wird beim sorgfältigen Gebäuderückbau eine Wiederverwendung als Balken in unveränderter oder leicht aufgearbeiteter Form angestrebt. So kann ein Holzbalken (oder auch ein Stahlträger) in der gleichen Form und Funktion ein zweites «Leben» erhalten. Endet dieses nach weiteren Jahrzehnten, ist eine erneute Wiederverwendung zu prüfen. Ist eine solche in unveränderter Form nicht mehr möglich, kommt eine Verwendung nach Reparatur oder Aufarbeitung in Frage. Ein Balken beispielsweise lässt sich verkürzen und erneut verwenden oder weiterverarbeiten und als Parkett oder Möbelholz einsetzen. Gerade letzteres erfreut sich heute im Innenausbau als «edles Altholz» grosser Beliebtheit. Endet auch das dritte oder vierte «Leben» – nach einem ganzen Jahrhundert oder mehr – erfolgt als weitere Stufe die Rezyklierung. Das Holz wird zum Beispiel zerspant. Aus den Spänen produziert die Holzwerkstoffindustrie Spanplatten oder andere Holzwerkstoffe für verschiedenste Verwendungszwecke. Ist dieser Schritt nicht möglich bzw. auch der Holzwerkstoff am Ende seines «Lebens» angelangt, folgt als letzte Stufe der Kaskade die energetische Nutzung als sogenanntes Altholz. Da Altholz mit verschiedensten Schadstoffen wie Farben, Holzschutzmittel oder Beschichtungen belastet sein kann, darf es nur in Anlagen verbrannt werden, die über besonders effiziente Abgasfilter verfügen. Solche Anlagen sind meistens relativ gross und eignen sich für anspruchsvolle Anwendungen wie zum Beispiel die Erzeugung von Dampf für industrielle Prozesse oder gar von Strom. Eine weitere Möglichkeit ist die Verbrennung und Energienutzung in Kehrichtverbrennungsanlagen KVA.
Genialer CO2-Speicher und am Schluss CO2-neutrale Energie
Vom Schlagen des Baums im Wald bis zur Energiegewinnung aus dem Holz können dank RRR Jahrzehnte oder gar Jahrhunderte vergehen. In der Zeitspanne der stofflichen Nutzung bleibt das CO2, das der lebende Baum seinerzeit der Atmosphäre zum Aufbau der Holzmasse entzogen hat, fest eingebunden. Erst am Schluss – bei der energetischen Nutzung – wird es wieder freigesetzt. Die lebenden Bäume brauchen das freigesetzte CO2 wiederum zum Aufbau neuer Holzmasse. Ein perfekter Kreislauf.
Altholz – nutzen statt exportieren
Die Menge des in der Schweiz anfallenden Altholzes ist gewaltig. Jedes Jahr stammen aus Gebäudeabbrüchen, alten Möbeln, Verpackungen oder anderen Holzprodukten am Ende ihrer Lebensdauer rund 1 Million Tonnen Altholz. Pikanterweise bleiben davon nur etwa 70 Prozent in der Schweiz. Es werden jährlich etwa 300’000 Tonnen ins Ausland exportiert, insbesondere nach Italien. Ein Verzicht auf den Export von Altholz und stattdessen die Nutzung zur Produktion von Heiz- und Prozesswärme, von Dampf und Strom würde etwa 100’000 Tonnen Heizöl ersetzen. Ebenso imposant wäre der Beitrag zur Reduktion der CO2-Emissionen: Er liegt bei über 300’000 Tonnen.
Holzenergie Schweiz fördert seit langem die konsequente Nutzung der einheimischen Energiequellen, ohne Zweifel gehört Altholz – nach einer möglichst lang dauernden stofflichen Nutzung – dazu. Besonders wertvoll ist es auch deshalb, weil es einen Beitrag zur Schliessung der winterlichen Stromlücke leisten kann. Es ist für das Erreichen der Ziele der Energiewende eine «tiefhängende Frucht», das heisst schnell und wirtschaftlich umsetzbar.