Vom Wasserturm zum Energiesparhotel

Bauherren aus Radolfzell haben einen alten Wasserturm in ein Energiesparhotel umgebaut. Foto: SEM`S Media Michael Schellinger
Bauherren aus Radolfzell haben einen alten Wasserturm in ein Energiesparhotel umgebaut. Fotos: SEM`S Media Michael Schellinger

In Radolfzell am Bodensee haben Bauherren einen 34 Meter hohen Wasserturm in ein Nullenergiehotel verwandelt. Die Energieversorgung des 2017 in Betrieb gegangenen Gebäudes erfolgt über 1000 Photovoltaikmodule, 54 Quadratmeter Solarthermiekollektoren, eine kleine Windenergieanlage auf dem Dach und eine Wärmepumpe im Keller. Eine sehr gute Dämmung sorgt für einen geringen Heizenergiebedarf.

 

Bereits mit 17 Jahren interessierte sich Norman Räffle für den alten Wasserturm in Radolfzell. Nach Lehre und Studium wagte er sich im Jahr 2008 schliesslich an den Umbau des aussergewöhnlichen Gebäudes. Gemeinsam mit Vater, Mutter und Bruder und den Mitarbeitern einer eigens für das Projekt gegründeten Baufirma wollte der Architekt dem Turm neues Leben einhauchen. In der achtjährigen Umbauphase hat das Team die unterschiedlichsten Arbeiten ausgeführt: Dazu gehörten Tiefbau, Abbruch, Rohbau, Fassade und Dämmung, Fenstermontage sowie die Heizungs-, Sanitär- und Elektroarbeiten.

Eine Vision wird Wirklichkeit
Einfach war die Sanierung nicht. «Für den komplexen, achteckigen Baukörper mussten wir einige Speziallösungen erfinden, um das Gebäude mit Passivhaustechnologie auszustatten», sagt Planer Norman Räffle. Da es beispielsweise keine geeigneten Passivhausfenster für Hochhäuser gab, entwickelte Räffle mit einem Fensterhersteller Doppelfenster mit einer Holz-Alu-Konstruktion: aussen zweifach und innen dreifach verglast, mit einer speziellen Zwischenraumbelüftung über Thermoschieber. In diesen Zwischenraum ist auch der Sonnenschutz integriert – aussen angebracht würde er durch die stärkere Windlast in der Höhe rasch beschädigt werden. Beim Umbau legten die Bauherren zudem grossen Wert auf ressourcenschonende und ökologische Massnahmen. So erfolgte die Dämmung der Fassade und des Daches mit Steinwolle in Stärken zwischen 20 und 36 cm. Die Kellerdecke erhielt eine Steinwolledämmung mit 20 Zentimetern Stärke.

Für frische Raumluft sorgen dezentrale Lüftungsanlagen. Diese verfügen über eine Wärmerückgewinnung mit einem Effizienzgrad von über 90 Prozent und Feinstaub- sowie Pollenfilter. Damit gelingt ohne nennenswerte Energieverluste der kontrollierte Austausch von verbrauchter mit frischer, sauberer und sauerstoffreicher Aussenluft.

Erheblicher Anteil erneuerbare Energien
Der umgebaute Turm verfügt über ein innovatives Energiesystem aus Sonnen- und Windenergie sowie Geothermie. Zur Nutzung der Sonnenenergie wurden Photovoltaikmodule mit einer installierten Leistung von fast 70 Kilowatt windsicher und wärmebrückenarm befestigt. Die Solarthermie Kollektoren sind an einen Wärmespeicher gekoppelt und decken rund 45 Prozent des Heizwärmebedarfs sowie 80 Prozent des Warmwasserbedarfs. Der Restenergiebedarf wird mit einer Wasser-Wasser-Wärmepumpe gedeckt.

Der Wasserturm ibietet eine fantastische Aussicht. Foto: SEM`S Media Michael Schellinger
Der Wasserturm bietet eine fantastische Aussicht.

Der umgebaute Turm verfügt über ein innovatives Energiesystem aus Sonnen- und Windenergie sowie Geothermie. Zur Nutzung der Sonnenenergie wurden Photovoltaikmodule mit einer installierten Leistung von fast 70 Kilowatt windsicher und wärmebrückenarm befestigt. Die Solarthermie Kollektoren sind an einen Wärmespeicher gekoppelt und decken rund 45 Prozent des Heizwärmebedarfs sowie 80 Prozent des Warmwasserbedarfs. Der Restenergiebedarf wird mit einer Wasser-Wasser-Wärmepumpe gedeckt. Eine kleine Windkraftanlage mit 5,5 Kilowatt installierter Leistung auf dem Dach und ein Stromspeicher ergänzen das Energiekonzept. Bei seiner Fertigstellung war das Hotel das weltweit erste Hochhaus mit Passivhaustechnologie, das mindestens so viel Energie erzeugt, wie es für die gesamte Gebäudetechnik benötigt. So liegt der Stromverbrauch für Beheizung, Warmwasser, Kühlung, Lüftung, Aufzug, Pumpen und Hilfsstrom bei 31 Kilowattstunden pro Quadratmeter und Jahr (kWh/m2a). Ihm stehen 48 kWh/m2a vor Ort produzierten Ökostroms gegenüber.

Inklusive Wellness, Küche und Elektroladestationen liegt der Gesamtenergiebedarf des Hotels bei 58 kWh/m2a. Durch diverse Optimierungsmassnahmen konnte er in den ersten Monaten des Jahres um 15 Prozent gegenüber dem Vorjahr gesenkt werden. Verstetigt sich die Tendenz im Jahr 2019, erreicht das Gebäude auch unter Einbezug dieser zusätzlichen Energieverbrauchsposten eine ausgeglichene Energiebilanz beim Gesamtverbrauch.

Nachhaltige Innenausstattung
Auch bei der Innenausstattung legten die Bauherren Wert auf regionale Wertschöpfung und ökologische Materialien, wie Holz, recycelte Holzwerkstoffe, Natursteinböden sowie Kalk- und Tonputz. Letzterer besteht aus natürlichen Rohstoffen und verbessert die Behaglichkeit und Luftqualität durch seine Eigenschaften wie Schad- und Geruchsstoffabbau sowie seine antistatische Wirkung.

Das Monitoring des vergangenen Jahres bestätigt nun die hervorragende Energiebilanz des Hotels: Die Gebäudetechnik verbraucht mit 31 Kilowattstunden Strom pro Quadratmeter und Jahr (kWh/m2a) nur rund 45 Prozent des vor Ort produzierten Ökostroms. Die CO2-Emissionen liegen dank der ausschliesslichen Nutzung selbsterzeugter erneuerbarer Energien und der geringen Verbrauchswerte bei null.

Weitere Beispiele von Sanierungen:
www.sanierungsgalerie.de
www.zukunftaltbau.de

Umbau eines Wasserturms

Massnahmen
• Dämmung von Fassade, Dach und Kellerdecke
• 5-fach verglaste Hochleistungs-Verbundfenster als Alu-Holz-Konstruktion mit witterungsgeschütztem Sonnen- und Blendschutz sowie passiver sommerlicher Hinterlüftung
• Dezentrale Lüftungsgeräte mit Wärmerückgewinnung
• Photovoltaik, Windenergie, Solarthermie, Wasser-Wasser-Wärmepumpe mit Saug- und Schluckbrunnen, Fussbodenheizung und -kühlung mit intelligenter Einzelraumregelung
• CO2-optimierte Baumaterialien wie Zement mit großem Hüttensandanteil, Steinwolledämmung, CIS-Dünnschicht-Photovoltaikmodule, Holzfenster mit Aludeckblende, Tonputz, Recycling-Holzbaustoffe und Wandtapeten
• Mess- und Regelungstechnik über frei programmierbare Heizungs- und Kühlregler, Energieverbrauchserfassung über Impulszählung.

Ergebnis
• Stromverbrauch Gebäudetechnik 2018 (Nullenergiebilanz): 30,65 kWh/m2a
• Eigenerzeugung Strom 2018: 47,95 kWh/m2a
• Gesamtstromverbrauch 2018: 58,40 kWh/m2a
• Die CO2-Emissionen betragen nahezu null kg/m2a. Bei unsanierten Gebäuden liegen die CO2-Emissionen bei 35 bis 75 kg/m2a.