Wachstum als Herausforderung

René Schürmann ist Präsident des Verbands GebäudeKlima Schweiz. Foto: zvg
René Schürmann ist Präsident des Verbands GebäudeKlima Schweiz. Foto: zvg

Im vergangenen Jahr nahm die Energiewende unerwartet rasant an Fahrt auf. Dies führte zu einem grossen Absatzwachstum bei Wärmepumpen. Im Interview schaut René Schürmann, Präsident GebäudeKlima Schweiz, zurück auf ein herausforderndes Jahr und erklärt, was man gegen den aktuellen Fachkräftemangel unternimmt.

 

Wie geht es der Branche der Heizungs-, Lüftungs- und Klimatechnik?
René Schürmann: Grundsätzlich gut, zumindest wenn man den enormen Anstieg an verkauften Heizsystemen im erneuerbaren Bereich anschaut. Bei den Holzheizungen verzeichnete die Branche 2022 ein Absatzwachstum von 15 Prozent, bei den Wärmepumpen sogar von 23 Prozent. Das grosse Wachstum war aber auch eine Herausforderung.

Inwiefern?
Teilweise kam es zu enormen Lieferverzögerungen, weil plötzlich eine so grosse Nachfrage vorhanden war, während sich die Lieferketten noch nicht einmal ganz von der Pandemie erholt hatten. Gleichzeitig braucht es zur Planung, Umsetzung und Wartung von Heizungen auch immer das entsprechende Fachpersonal. Vor allem im Wärmepumpenbereich fehlen die Fachkräfte noch vielerorts, gleich wie die Erfahrung allgemein.

Dabei zeichnet sich die Entwicklung hin zu Wärmepumpen schon länger ab.
GebäudeKlima Schweiz bietet deshalb schon seit einiger Zeit Ausbildungs- beziehungsweise Weiterbildungsmöglichkeiten dazu an. Auch bringen wir uns als Stimme der Industrie seit Jahren bei der Erarbeitung von Normen und Standards rund um Wärmepumpen und deren Planung sowie Installation ein. Mit einem so rasanten Systemwechsel hätte aber niemand gerechnet. Durch den Ukraine-Krieg wollten plötzlich alle weg vom Gas. Nicht nur in der Schweiz, sondern in vielen Ländern Europas. Das hat schlussendlich auch zu den Lieferengpässen bei den Wärmepumpen geführt. Der Schweizer Markt alleine wäre zu bewerkstelligen gewesen.

Marktzahlen

Der Branchenverband GebäudeKlima Schweiz erfasst regelmässig Absatzzahlen und vergleicht die Entwicklungen. Im ersten Quartal 2023 entwickelten sich die Zahlen im Vergleich zum gleichen Zeitraum im Vorjahr wie folgt:

 

Kessel Öl/Gas:                            -54 %

Brenner:                                      -18 %

Wärmepumpen:                        + 45 %

Holzheizungen                            + 7 %

Solar:                                          + 1 %

Wassererwärmer/Speicher:      + 20 %

 

Was hat GebäudeKlima Schweiz in dieser Situation unternommen?
Zum einen haben wir kommunikativ versucht, im Namen der Hersteller und Importeure bei Installationsfirmen und Endkunden um Verständnis zu werben. Zum anderen haben wir die Arbeiten an Normen und Standards noch intensiviert. Dies als Hilfestellung für die Installationsfirmen, um die Lernkurve möglichst zu verkürzen. Denn das Schlimmste, was in einer solche Situation passieren kann, sind fehlerhaft geplante und umgesetzte Lösungen, die das Image aller Wärmepumpen schädigen. Nicht zuletzt haben wir unseren Lehrgang Fachfrau/Fachmann für Wärmesysteme mit einem Einführungsmodul ergänzt, damit Fachkräfte schneller für praktische Arbeiten einsatzfähig sind. Auch bieten wir seit diesem Jahr einen Quereinsteiger-Kurs Wärmepumpen an, über den Servicetechnikerinnen und Servicetechniker zum Beispiel aus dem Bereich Öl- oder Gasheizung sich in wenigen Tagen zum Thema Wärmepumpen weiterbilden lassen können.

Gehören Öl- und Gasheizungen definitiv der Vergangenheit an?
Heute wird noch die Mehrheit der Schweizer Gebäude mit Öl- und Gasheizungen beheizt. Diese müssen auch weiterhin betreut werden. Zudem bin ich mir nicht ganz sicher, ob Gas zumindest als Übergangslösung nicht doch nochmals eine Rolle spielen wird. Dabei dürfte auch die Strominfrastruktur und -verfügbarkeit entscheidend sein.

Was bedeutet das für die Hersteller und Lieferanten der Heizungs-, Lüftungs- und Klimatechnik?
Natürlich sind wir weiterhin mit Hochdruck daran, die Kapazitäten rund um Wärmepumpen auszubauen. Gleichzeitig müssen wir allen Technologien gegenüber offen bleiben. Das ist ein Balanceakt. Aber wir machen keine Politik. Unsere Aufgabe ist es vielmehr, auf die jeweiligen Bedürfnisse abgestimmt technisch innovative Lösungen bereitzuhalten, sowie das Knowhow zu vermitteln, damit Fachkräfte unsere Lösungen qualitativ einwandfrei planen, ausführen und unterhalten können. So dass am Schluss alle zufrieden sind: Politik und Behörden, die ausführenden Unternehmen aber vor allem auch die Endkundinnen und Endkunden.

Wagen wir noch einen Ausblick: Wie geht es weiter?
Während sich im Herbst zuerst eine Marktberuhigung abzeichnete, hatten wir nun im ersten Quartal 2023 erneut ein Wachstum bei den Wärmepumpen von rund 45 Prozent gegenüber dem ersten Quartal 2022. Gleichzeitig lässt sich beobachten, dass sich die Lieferfristen je nach Anbieter wieder verkürzt haben. Nun bleibt abzuwarten, was die Investitionen der Wärmepumpen-Hersteller in den Produktionsausbau für Auswirkungen auf die nächsten Jahre haben, allenfalls auch preislich. Und ob unsere neuen Ausbildungsangebote die erhoffte Wirkung haben, wir uns also bald über viele neue Serviceprofis im Bereich Wärmepumpen freuen dürfen. Ein Beruf mit Zukunft, davon bin ich überzeugt.

 

GebäudeKlima Schweiz

GebäudeKlima Schweiz ist der bedeutendste Schweizer Hersteller- und Lieferantenverband der Heizungs-, Lüftungs- und Klimatechnik. Die Mitglieder sind mehrheitlich Systemanbieter und unterhalten gesamtschweizerische Verkaufs- und Servicenetze. Als «Stimme der Gebäudetechnik-Industrie» bringt GebäudeKlima Schweiz die Meinung der Industrie zu aktuellen Themen in die politische Diskussion mit ein, verhandelt mit Behörden und Verbänden, engagiert sich für optimale Rahmenbedingungen für die Schweizer Gebäudetechnik-Industrie, übernimmt eine wichtige Rolle in der Aus- und Weiterbildung und wird durch den branchenübergreifenden Austausch unter den Mitgliedern zu einem wichtigen Innovations- und Kompetenzzentrum.    www.gebaeudeklima-schweiz.ch