Wahre Kreislauf-Typologie

KREIS-Haus Feldbach. Foto: Manuel Pestalozzi
KREIS-Haus Feldbach. Fotos: Manuel Pestalozzi

 

 

 

 

 

 

 

 

In Feldbach am oberen Zürichsee ist ein kleines Haus entstanden, das sich mit jeder Faser der Kreislaufwirtschaft verschrieben hat. Das kompakte Volumen auf seinen Schraubfundamenten ist ein Vorzeigebau, an dem vieles ausprobiert wird. Besonders interessant ist sein typologisches Statement.   Text: Manuel Pestalozzi

Das KREIS-Haus ist ein Pilotprojekt des Departement Life Sciences und Facility Management der ZHAW Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften und des Vereins Synergy Village. Viele haben ihre Ideen eingebracht – das ist keine «Autoren-Architektur». Und doch hat das Haus eine Mutter: Die Umweltingenieurin Devi Bühler hat sich seit ihrer Bachelorarbeit 2013 mit der Idee eines Hauses auseinandergesetzt, das nach den Prinzipien der Kreislaufwirtschaft geplant und erstellt wird. Daneben gründete sie mit ihrem Bruder in Feldbachs Weiler Oberschirmensee das Synergy Village, ein Anwesen mit einem Ensemble aus mehreren historischen Bauten. Diese sind in eine abwechslungsreiche Garten- und Parklandschaft eingebettet. Das Areal ist seit Jahrhunderten im Besitz von Devi Bühlers Familie und wird jetzt vom gemeinnützigen Verein bewirtschaftet.

KREIS-Haus Feldbach. Foto: Manuel Pestalozzi

Der kompakte, mit einem Satteldach gedeckte zweigeschossige Neubau hat eine Fläche von rund 40 Quadratmetern. Er besetzt ein Terrain in der Südostecke des Synergy Village – gleich neben einem prägnanten Avia-Tankstellenpaar, dessen auskragende Vordächer wie die Greifer einer Zange die stark frequentierte Seestrasse flankieren. Das KREIS-Haus ist eigentlich das vollkommene Gegenteil dieser konventionellen Versorgungsstation und füllt städtebaulich sinnvoll eine bisherige Leerstelle auf dem Areal. Als Modellhaus hat es von der Gemeinde eine temporäre Ausnahmebewilligung für fünf Jahre erhalten und ist ein angewandtes Forschungsprojekt der ZHAW und des Vereins Synergy. Alle Materialien und technischen Installationen wurden nach den entsprechenden Kriterien ausgewählt und zu einer funktionierenden Kleineinheit zusammengeführt. Gut 70 Prozent der Baukosten übernahmen die mehr als 50 Sponsoren, welche Produkte und fachliches Können beisteuerten. Als Gegenleistung erhalten sie ein Feedback von der Front. Das KREIS-Haus ist ein bewohnbarer Testbau; wer als temporärer Gast dort residieren möchte und anschliessend zu rapportieren gewillt ist, kann sich beim Synergy Village anmelden.

KREIS-Haus Feldbach. Foto: Manuel Pestalozzi

Es wurde kein Beton verbaut; das Gebäude ist eine Holzkonstruktion, die auf Stahl-Schraubfundamenten steht. So lässt es sich am Ende seiner Lebensdauer auch wieder leicht zerlegen. Auf einen Wasseranschluss konnte verzichtet werden; das KREIS-Haus verfügt über grosse Tanks für das Regenwasser, das nach dem Passieren einer Filterkombination Trinkqualität hat, und für das Grauwasser von der Küche und der Dusche. Letzteres kommt im «Dachgarten» zum Einsatz. Das WC ist eine Trockentoilette. Urin landet in einem Tank unter dem Haus, ein benachbartes Urin-Verdunstungsmodul verwandelt ihn in Düngergranulat. Die Feststoffe werden mittels Betätigung eines Fusspedals auf einem Förderband in ein Kämmerchen transportiert. Dort landen sie in einem Wurmkompost. Über das WC wird die Abluft der Wärmerückgewinnung zugeführt. Deshalb herrscht dort permanenter Unterdruck, was Geruchsemissionen verhindert.

Die Kreislaufidee hat bei diesem Gebäude zu einer interessanten, anregenden Typologie geführt, welche dem Konzept bestechende räumliche Qualitäten verleiht. Eine Rampe aus dem noch vollständig vorhandenen Aushubmaterial führt auf die Terrasse an der Südfassade. Von hier betritt man einen Wintergarten. Er ist gut gedämmt und reicht bis ins Dach, dessen Südfläche verglast und mit semitransparenten Photovoltaik-Modulen versehen ist. Den Westteil des Wintergartens nimmt eine erhöhte Sitzplattform ein. Aus ihr lassen sich Sitzbänke, ein Bett und ein Tisch hervorziehen respektive herausklappen. Entlang der Ostfassade führt eine steile Raumspartreppe mit versetztem Stufenauftritt ins Obergeschoss, auf die Galerie des Wintergartens. Dort, unter dem First, soll ein «Dachgarten» gedeihen, bewässert mit dem gespeicherten Grauwasser und angelegt, um in einer Treibhaus-Situation Essbares abzuwerfen. Die nach Norden orientierte Dachschräge ist bis auf zwei Öffnungen geschlossen und mit integrierten Photovoltaik-Modulen gedeckt. Bis zu sechs Mal so viel Strom könne das Haus produzieren als es für seinen Betrieb benötigt, sagt Devi Bühler. Recycelte Batterieeinheiten von Postfahrzeugen speichern ihn, weitere Überschüsse werden ins Netz eingespeist. Der Wärmeeintrag des Wintergartens wird über die mechanische Lüftung zur Beheizung des Kernbereichs genutzt.

KREIS-Haus Feldbach. Foto: Manuel Pestalozzi

Dieser Kernbereich befindet sich unter dem Beet im Dachraum. Der abgetrennte, zusätzlich gedämmte Wohnteil ist mit einem grossen Bett, Schranktruhen, einer Küchenfront und einer Sitzecke mit Möbeln aus Kork ausgestattet. Zwischen ihm und der Ostfassade ist die Nasszelle mit Duschkabine und WC angeordnet. Wie im Wintergarten wurde auch hier auf eine optimale Raumausnutzung geachtet. Über der Spüle der Küche befindet sich ein Fenster, durch das vom Dachraum her weiteres Tageslicht in diese weitgehend von Pufferräumen umgebene innere Zone dringt.

Im nördlichen Teil des Volumens sind die Wassertanks und die Technik untergebracht. Die Nordfassade wird gegliedert durch zwei grosse Tore, denen unter der Dachtraufe eine vorgelagerte «Technik-Terrasse» vorgelagert ist. Dem dienenden und dem bedienten Teil des Hauses sind bei dieser Kreislauf-Typologie klare, sinnvoll platzierte Orte zugewiesen – die Technik erhält jene Prominenz, die sie wohl auch verdient, und ist leicht zugänglich.

KREIS-Haus Feldbach. Foto: Manuel Pestalozzi

Das KREIS-Haus ist im besten Sinne des Wortes ein Spielzeug. Man wird herausfinden müssen, ob sich die Ideen bewähren, ob das Zusammenspiel von Architektur und Technik in allen Jahreszeiten funktioniert. Interessant ist auch die Frage, ob sich aus einer derartigen Typologie ein nachhaltiger Lebensstil entwickeln kann, der Zukunft hat. An finanziellen Anreizen sollte es eigentlich nicht mangeln; die Verantwortlichen melden, dass der Bau der KREIS-Hauses CHF 600’000 gekostet hat. Nach ihren Berechnungen könnte man ein derartiges, modular aufgebautes Gebäude ab ca. CHF 300’000 realisieren.