Weltrekord beim Wirkungsgrad

Perowskit-Silizium-Tandemsolarzellen, deren Vorderseite entweder flach oder texturiert sein kann. Foto: D. Türkay (EPFL), C. Wolff (EPFL), F. Sahli (CSEM), Q. Jeangros (CSEM)
Perowskit-Silizium-Tandemsolarzellen, deren Vorderseite entweder flach oder texturiert sein kann. Foto: D. Türkay (EPFL), C. Wolff (EPFL), F. Sahli (CSEM), Q. Jeangros (CSEM)

Erstmals gelang es, bei Perowskit-Silizium-Tandemsolarzellen einen Wirkungsgrad von über 30 Prozent zu erreichen. Dies ist das Ergebnis einer Zusammenarbeit von Wissenschaftlern am Photovoltaiklabor der EPFL mit dem renommierten Innovationszentrum CSEM. Die Werte wurden vom unabhängigen National Renewable Energy Laboratory (NREL) in den USA zertifiziert. Dies ist ein wichtiger Schritt auf dem Gebiet hocheffizienter Photovoltaik (PV) und ebnet den Weg für eine noch wettbewerbsfähigere Erzeugung von Sonnenenergie.

 

Die Steigerung der Energieumwandlungseffizienz von Solarzellen ist aus zwei Gründen wichtig: Langfristig ist dies die effektivste Methode zur Senkung der Stromentstehungskosten. Kurzfristig ist es die beste Möglichkeit zur Förderung von Photovoltaikanwendungen für kleine Flächen wie Dächer, Fassaden, Fahrzeuge oder auch Drohnen.

Grundsätzlich sind alle Solarzellen durch die Eigenschaften der verwendeten Materialien limitiert, was wiederum den möglichen Wirkungsgrad begrenzt. Am weitesten verbreitet sind heute Solartechnologien mit Silizium, ein Material, das trotz seines Erfolges theoretisch einen maximalen Wirkungsgrad von rund 29 Prozent hat. Übliche Wirkungsgrade dieser Technologie liegen knapp unter 27 Prozent, womit nur eine sehr kleine Spanne für künftige Effizienzsteigerungen bleibt.

Im Wettstreit um immer höhere Wirkungsgrade haben Wissenschaftler der Siliziumzelle eine (oder mehrere) Solarzelle(n) hinzugefügt und Tandem-Solarzellen entwickelt. Das energieintensivere sichtbare Licht der Sonne wird von der oberen Zelle aufgenommen, während das energieärmere Infrarotlicht von der Siliziumzelle auf der Rückseite des Tandems absorbiert wird. Halogenidperowskite haben sich als ideale Ergänzung für Silizium herausgestellt, weil sie sichtbares Licht effizienter in elektrische Energie umwandeln können als Silizium alleine, und dies ohne übermässige Steigerung der Produktionskosten.

Jeweils linke und rechte Grafik: Schematische Darstellung von Perowskit-Silizium- Tandemsolarzellen, deren Vorderseite entweder flach oder texturiert sein kann. Mitte oben: Rasterelektronenmikroskopbilder der beiden von EPFL und CSEM entwickelten Varianten. Mitte unten: die zugehörigen Fotos. Foto: C. Wolff (EPFL)
Jeweils linke und rechte Grafik: Schematische Darstellung von Perowskit-Silizium- Tandemsolarzellen, deren Vorderseite entweder flach oder texturiert sein kann. Mitte oben: Rasterelektronenmikroskopbilder der beiden von EPFL und CSEM entwickelten Varianten. Mitte unten: die zugehörigen Fotos. Foto: C. Wolff (EPFL)

Zweifacher Weltrekord
«Wir haben eine psychologische Hürde genommen», so Christophe Ballif, Direktor des Photovoltaik-Labors der EPFL und des CSEM-Zentrums für nachhaltige Energie. «Wir haben das Hocheffizienzpotenzial von Perowskit-Silizium-Tandems experimentell validiert. Die Wirkungsgrad-Marke von 30 Prozent wurde bereits mit anderen Materialien erreicht, speziell mit III-V-Halbleitern, allerdings waren hier die Materialien und Verfahren zu kostenintensiv, um die Energiewende zu unterstützen: Diese Elemente sind tausendmal so teuer wie Silizium-Solarzellen. Unsere Ergebnisse zeigen erstmals, dass die 30 Prozent-Schallmauer auch mit kostengünstigen Materialien und Verfahren durchbrochen werden kann, wodurch sich neue Zukunftsperspektiven für Photovoltaik ergeben», schwärmt Ballif weiter.

Den Wissenschaftlern in Neuchâtel ist es gelungen, den Wirkungsgrad von zwei verschiedenen Perowskit- Silizium-Tandems zu steigern. Im ersten Verfahren passten Sie die Materialien und Herstellungstechniken so an, dass sich Perowskit-Schichten in hoher Qualität aus einer Lösung auf einer planarisierten Siliziumoberfläche anlagern können womit bei einer Solarzelle von 1 cm2 eine Energieausbeute von 30,93 Prozent erreicht wird. Im zweiten Verfahren arbeiteten sie an einer neuen Version einer so genannten hybriden Technik die Verdampfungs- und Lösungsmittelverfahren kombiniert und auch auf texturierten Siliziumoberflächen funktioniert, und entwickelten so eine Solarzelle, deren Energieausbeute 31,25 Prozent beträgt (wieder auf 1 cm2). Mit diesen Ergebnissen wurden zwei neue Weltrekorde aufgestellt: eine für glatte und eine für texturierte Solarzellenarchitektur. Der zweite Ansatz liefert mehr Strom und ist mit der Struktur gängiger industrieller Siliziumsolarzellen kompatibel. Der vorherige Wirkungsgradrekord von Perowskit-Silizium-Tandemsolarzellen war 2021 von einem Team des Helmholtz Zentrums Berlin aufgestellt worden und lag bei 29,8 Prozent. Die neuen Rekorde von EPFL und CSEM wurden durch das unabhängige National Renewable Energy Laboratory (NREL) in den USA zertifiziert.

Blick in eine strahlende Zukunft
«Auf die hervorragenden Wirkungsgrade muss nun weitere Forschung und Entwicklung aufbauen, die eine Skalierung auf grössere Flächen erlaubt und zudem gewährleistet, dass die neuen Zellen über eine normale Lebensdauer hinweg eine stabile Energieausbeute auf unseren Dächern und anderswo erbringen können», bemerkt Quentin Jeangros von CSEM. «Tandem-Perowskit-Silizium-Technologien traute man einen Wirkungsgrad von über 30 Prozent zu, doch nun wurde dieses lange vermutete Potenzial erstmals unter Beweis gestellt. Ich hoffe, dass dies den Weg für noch kostengünstigere nachhaltige Stromproduktion ebnet», so Christian Wolff von der EPFL abschliessend.

Diese Forschungsarbeit wurde vom PV-lab-Team der EPFL in Neuchâtel (Dr. Xin Yu Chin, Deniz Türkay, Kerem Artuk, Dr. Mathieu Boccard und Kollegen von der EPFL-Tandem-Photovoltaik-Gruppe unter Leitung von Dr. Christian Wolff) in Zusammenarbeit mit den Wissenschaftlern des CSEM (Dr. Brett Kamino, Dr. Florent Sahli, Dr. Soo-Jin Moon, Arnaud Walter und Kollegen unter der Leitung von Dr. Quentin Jeangros) durchgeführt. Sie wurde vom Schweizer Bundesamt für Energie, dem Schweizerischen Nationalfonds, der Europäischen Kommission, den Services Industriels de Genève und der Advanced- Manufacturing-Initiative des ETH-Bereichs mitfinanziert.

 

EPFL

Die EPFL ist die weltoffenste technische Hochschule Europas, an der Studierende, Professoren sowie Mitarbeitende aus über 120 Ländern beschäftigt sind. Die EPFL ist sowohl national als auch international ausgerichtet und konzentriert sich auf drei Missionen: Lehre, Forschung und Innovation.

Die EPFL arbeitet mit einem umfassenden Partnernetzwerk zusammen, dem insbesondere andere Universitäten und Hochschulen, Sekundarschulen und Gymnasien, Industrie und Wirtschaft, politische Einrichtungen und die allgemeine Öffentlichkeit angehören. Ziel ist, echte Veränderungen in der Gesellschaft zu bewirken.

 

Das Labor für Photovoltaik und Dünnschichtelektronik (Photovoltaics and thin film electronics laboratory) der EPFL (PV-lab) leistete Pionierarbeit in vielen Bereichen wie Silizium-Dünnschicht-Techniken und -Prozesse, Silizium- Heterojunction, Passivierung von Zellen, Tandem-Solarzellen und Zuverlässigkeit von PV-Modulen. Es beschäftigt sich auch mit Spezialdetektoren, Beschichtungen für medizinische Diagnostik und Energiemanagement.  www.epfl.ch

 

CSEM

Das CSEM ist ein international renommiertes Schweizer Innovationszentrum, das bahnbrechende Technologien mit starken gesellschaftlichen Auswirkungen entwickelt und diese in die Industrie überführt. Als öffentlich-private Organisation hat es den Auftrag, die Innovationstätigkeit der Schweizer Unternehmen zu unterstützen und die Wirtschaft zu stärken. Das CSEM ist in den Bereichen Präzisionsmikrofertigung, Digitalisierung und nachhaltige Energien tätig. 550 Mitarbeiterende aus 44 Ländern arbeiten eng mit führenden Universitäten, Forschungsinstituten und Industriepartnern zusammen. Das CSEM hat seinen Hauptsitz in Neuchâtel und verfügt über Standorte in den Kantonen Basel, Bern, Obwalden, Zürich und Graubünden.

 

Das Zentrum für nachhaltige Energie (Sustainable Energy Center) am CSEM ist in den Bereichen hochentwickelte Silizium- und Tandem-Solarzellen und -Module, Spezial-PV-Lösungen für Gebäude, Energy Harvesting, Speicher und Akkus, Energiemanagement und digitale Energielösungen tätig.  www.csem.ch