Wohin mit dem Kohlendioxid?

Forschende untersuchten anhand einer Lebenszyklusanalyse die gesamte Kette der Emissionen aus einer Biogasaufbereitungsanlage in Bern. Foto: ARA Bern
Forschende untersuchten anhand einer Lebenszyklusanalyse die gesamte Kette der Emissionen aus einer Biogasaufbereitungsanlage in Bern. Foto: ARA Bern

CO2 aus der At­mo­sphä­re ab­zu­schei­den und in re­cy­clier­tem Be­ton oder in Ge­stein in Is­land zu spei­chern, ist mach­bar und weist ei­ne po­si­ti­ve Kli­ma­bi­lanz auf. Dies zei­gen die Er­geb­nis­se ei­nes Pi­lot­pro­jekts un­ter Lei­tung der ETH Zü­rich im Auf­trag des Bun­des.

Die Schweiz hat sich ein am­bi­tio­nier­tes Ziel ge­setzt: Bis 2050 will sie ih­re Treib­haus­gas­emis­sio­nen auf null re­du­zie­ren. Mit ei­nem mas­si­ven Aus­bau er­neu­er­ba­rer En­er­gien und Ein­spa­run­gen al­lein ist es al­ler­dings nicht ge­tan. Der Bund geht da­von aus, dass jähr­lich 12 Mil­lio­nen Ton­nen CO2 an­fal­len, die schwie­rig zu ver­mei­den sind – so zum Bei­spiel Emis­sio­nen von Keh­richt­ver­bren­nungs­an­la­gen. Ein Teil des aus­ge­stos­se­nen CO2 muss al­so wie­der aus der At­mo­sphä­re ent­fernt wer­den. Nur wie? Und wo­hin da­mit?

Zwei un­ter­schied­li­che Spei­cher­mög­lich­kei­ten er­probt
Die­sen Fra­gen ist ein Kon­sor­ti­um aus Wis­sen­schaft und In­dus­trie un­ter der Lei­tung der ETH Zü­rich im Auf­trag des Bun­des­amts für En­er­gie (BFE) und des Bun­des­amts für Um­welt (BA­FU) nach­ge­gan­gen. Die For­schen­den ha­ben zwei We­ge un­ter­sucht, wie CO2 dau­er­haft ge­spei­chert wer­den kann: 1. Mi­ne­ra­li­sie­rung in re­zy­klier­tem Ab­bruch­be­ton, der in der Schweiz her­ge­stellt wird und 2. Mi­ne­ra­li­sie­rung in ei­nem geo­lo­gi­schen Re­ser­voir in Is­land.

Durch­ge­spielt wur­de das Gan­ze mit Emis­sio­nen aus ei­ner Bio­gas­auf­be­rei­tungs­an­la­ge in Bern. Da­bei un­ter­such­ten die For­schen­den an­hand ei­ner Le­bens­zy­klu­s­ana­ly­se die ge­sam­te Ket­te – von der Ab­schei­dung und Ver­flüs­si­gung des CO2 am Ort des Ent­ste­hens, über den Trans­port bis hin zur Spei­che­rung. Sie be­rech­ne­ten auch, wie viel neu­es CO2 ent­lang der Ket­te an­fällt. Für ei­ne Keh­richt­ver­bren­nungs­an­la­ge und ei­ne Ze­ment­an­la­ge wur­den zu­dem un­ter­schied­li­che Lö­sun­gen für Ab­schei­dungs­ver­fah­ren und -​anlagen ge­prüft.

Das Schema zeigt die gesamte Prozesskette, von der CO2-Abscheidung in der Schweiz bis zur Einlagerung im Untergrund auf Island. Grafik: DemoUpCARMA / ETH Zürich
Das Schema zeigt die gesamte Prozesskette, von der CO2-Abscheidung in der Schweiz bis zur Einlagerung im Untergrund auf Island. Grafik: DemoUpCARMA / ETH Zürich

Schon heu­te ei­ne po­si­ti­ve Kli­ma­bi­lanz
Es zeig­te sich: Bei­de We­ge sind tech­nisch um­setz­bar und wei­sen ei­ne po­si­ti­ve Kli­ma­bi­lanz aus. So über­stieg in al­len un­ter­such­ten Bei­spie­len die Men­ge des CO2, das ge­spei­chert wer­den konn­te, die Men­ge an ent­lang der Trans­port­ket­te aus­ge­stos­se­nem CO2. Beim Spei­chern in re­zy­klier­tem Ab­bruch­be­ton liegt der Wir­kungs­grad und da­mit das Ver­hält­nis zwi­schen ge­spei­cher­ten und da­durch neu an­fal­len­den Emis­sio­nen bei 90 Pro­zent; beim Trans­port von Schweizer CO2 und der an­schlies­sen­den Spei­che­rung in is­län­di­schem Ge­stein bei et­wa 80 Pro­zent. Die­se Bi­lanz dürf­te sich zu­künf­tig wei­ter ver­bes­sern, ent­fällt der gröss­te Teil der neu­an­ge­fal­le­nen Emis­sio­nen auf den Trans­port der Con­tai­ner per Bahn und Schiff, die heu­te zum Teil noch mit En­er­gie aus Koh­le­kraft und fos­si­len Brenn­stof­fen be­trie­ben wer­den. Wird zu­künf­tig in gros­sem Mass­stab CO2 ex­por­tiert, wä­re auch der Trans­port von CO2 in ei­ner Pipe­line ei­ne Mög­lich­keit.

Über­rascht wur­den die For­schen­den hin­ge­gen von den re­gu­la­to­ri­schen Schwie­rig­kei­ten, die ih­nen beim Trans­port von CO2 durch meh­re­re Län­der bis nach Is­land be­geg­ne­ten. Es war das ers­te Mal, dass grenz­über­schrei­tend CO2 zur Spei­che­rung trans­por­tiert wur­de. «In der Nah­rungs­mit­tel­in­dus­trie wird viel CO2 be­nö­tigt und kann ge­la­belt als Che­mi­ka­lie oh­ne Pro­ble­me trans­na­tio­nal trans­por­tiert wer­den. Ist es aber ‹Ab­fall› wie in un­se­rem Fall, fehlt es an den ent­spre­chen­den Re­gu­lie­run­gen», er­läu­tert Mar­co Maz­zot­ti, Pro­jekt­ko­or­di­na­tor und ETH-​Professor. Das Pro­jekt­team kommt da­her zum Schluss: Will die Schweiz CO2 im grös­se­ren Mass­stab spei­chern und An­rei­ze für Un­ter­neh­men schaf­fen, müs­sen ge­mein­sam mit den eu­ro­päi­schen Nach­barn kla­re Re­gu­lie­run­gen ge­schaf­fen wer­den.

Zahl­rei­che For­schungs­fra­gen noch of­fen
Auch wenn die im Pro­jekt er­prob­ten Tech­no­lo­gien funk­tio­nie­ren, ist der For­schungs­be­darf im Be­reich CO2-​Management noch gross; zu­dem muss si­cher­ge­stellt wer­den, dass die Tech­no­lo­gien auch ih­ren Weg in die Wirt­schaft fin­den. In der 2023 ge­mein­sam mit Part­nern aus Po­li­tik, Wis­sen­schaft und In­dus­trie lan­cier­ten «Co­ali­ti­on for Green En­er­gy and Sto­rage», will die ETH Zü­rich un­ter an­de­rem be­stehen­de Tech­no­lo­gien zur CO2-​Abscheidung, zur Produk­tion von koh­len­stoff­neu­tra­len Ga­sen und Treib­stof­fen, und zur CO2-​Speicherung rasch im­ple­men­tie­ren und in­dus­tri­ell ein­setz­bar ma­chen.

Ei­ne wei­te­re Fra­ge, die ETH-​Forschende um­treibt, ist, ob sich CO2 auch im hie­si­gen Bo­den spei­chern lies­se. Ein all­fäl­li­ger In­jek­ti­ons­test in ei­nem von der na­tio­na­len Ge­nos­sen­schaft für die La­ge­rung ra­dio­ak­ti­ver Ab­fäl­le (Na­gra) nicht mehr be­nö­tig­ten Bohr­loch in Trül­li­kon könn­te ers­te Ant­wor­ten lie­fern.