Zweites Leben für Autobatterien

Das Forschungsprojekt CircuBAT besteht aus sechs Teilprojekten und einer gemeinsamen Businessmodel-Evaluation. Grafik: Circubat
Das Forschungsprojekt CircuBAT besteht aus sechs Teilprojekten und einer gemeinsamen Businessmodel-Evaluation. Grafik: Circubat

Das Forschungsprojekt CircuBAT will den Kreis zwischen Produktion, Anwendung und Recycling von Lithium-Ionen-Batterien aus der Mobilität schliessen. Dafür suchen sieben Schweizer Forschungsinstitutionen sowie 24 Unternehmen gemeinsam nach Optimierungsmöglichkeiten für mehr Nachhaltigkeit in allen Lebensabschnitten der Batterie. Das Projekt ist Teil der neu lancierten Flagship Initiative der Förderagentur Innosuisse.

 

 

 

Elektrofahrzeuge sind zentral für eine klimafreundlichere Mobilität. Vor Kritik gefeit sind sie allerdings nicht, denn insbesondere die Antriebsbatterie bietet in Sachen Nachhaltigkeit grosses Verbesserungspotenzial. An dieser Stelle setzt CircuBAT an. Ziel des neu gestarteten Forschungsprojektes ist es, in den nächsten vier Jahren ein zirkuläres Geschäftsmodell für Lithium-Ionen-Batterien aus der Mobilität zu etablieren. «Das verbessert die Ökobilanz von Elektrofahrzeugen, stellt Speicher für die Energiewende zur Verfügung und spart Ressourcen», sagt Projektleiter Andrea Vezzini von der Berner Fachhochschule (BFH).

Zusammenarbeit von Forschung und Wirtschaft
Im Projekt CircuBAT übernimmt die BFH die Rolle des «Leading House». Beteiligt sind auf Seite der Wissenschaft sechs weitere Schweizer Forschungsinstitutionen: die Empa, das «Centre Suisse d’Electronique et de Microtechnique» (CSEM), die Universität St. Gallen (HSG), die Ostschweizer Fachhochschule OST, der Switzerland Innovation Park Biel/Bienne SIPBB und die EPFL. Zudem sind insgesamt 24 Unternehmen beteiligt, von Materialspezialisten über Fertigungsunternehmen bis hin zu Anwendern und Anbietern von Elektrofahrzeugen. Dank dieser Zusammenarbeit von Wissenschaft und Wirtschaft deckt das Projekt alle Lebensabschnitte einer Batterie ab und Erkenntnisse aus der Forschung können direkt in der Anwendung getestet werden.

CircuBAT ist eines von 15 Projekten, welche die schweizerische Agentur für Innovationsförderung Innosuisse in der ersten Ausschreibung der Flagship-Initiative bewilligt hat. Die Initiative will systemische Innovationen in Bereichen fördern, die für einen grossen Teil der Wirtschaft oder Gesellschaft relevant sind und strebt nach Lösungen für aktuelle oder zukünftige Herausforderungen, die mehrere Akteure betreffen und nur durch deren Zusammenarbeit gemeistert werden können.

Optimierung in allen Bereichen
Das Projekt CircuBAT sucht in allen Lebensabschnitten von Lithium-Ionen-Batterien nach Lösungen für verbesserte Nachhaltigkeit. Dazu gehört, die Lebensdauer der Batterien in ihrer ersten Anwendung zu verlängern. Erreichen wollen die Forschenden dies durch die Entwicklung optimaler Lade- und Entladestrategien sowie durch neue Konzepte für den Bau von Batterien, welche Reparaturen einfach möglich machen. Weiter sollen Batterien nach ihrer ersten Anwendung in der Mobilität als stationäre Energiespeicher zum Einsatz kommen. Im Projekt wird deshalb erforscht, wie sich diese am besten ins Stromnetz integrieren lassen und wie ein sicherer sowie effizienter Betrieb gewährleistet werden kann. Schliesslich suchen die Forschenden nach Lösungen für die Demontage und Materialrückgewinnung, so dass die Sekundärrohstoffe in grossen Mengen und guter Qualität der Produktion von neuen Batterien zugefügt werden können. Neben diesen technischen Fragen untersucht das Projekt auch sozioökonomische Aspekte und prüft ganzheitliche Geschäftsmodelle. CircuBAT wird damit einen wichtigen Beitrag zur Dekarbonisierung der Mobilität in der Schweiz und zur Nutzung von erneuerbaren Energien leisten.

Empa-Forscher Corsin Battaglia leitet ein Teilprojekt des Forschungsprojekts CircuBAT. Foto: Empa
Empa-Forscher Corsin Battaglia leitet ein Teilprojekt des Forschungsprojekts CircuBAT. Foto: Empa

Drei Teilprojekte unter Leitung der Empa
Von den sieben Teilprojekten werden drei von Empa-Forschenden geleitet. Das Teilprojekt «Materialrückgewinnung», das vom Empa-Forscher Rolf Widmer geleitet wird, verfolgt das Ziel, ein von Kyburz Switzerland entwickeltes Recyclingverfahren zu optimieren und weiterzuentwickeln. Die brennbaren Elemente der Batterie werden dabei in einem Wasserbad getrennt. So sollen Kupfer, Aluminium, Lithium, Mangan, Nickel und Kobalt in bester Qualität zurückgewonnen werden, um sie für die Produktion neuer Batterien einsetzen zu können.

Das Teilprojekt «Herstellung von Batteriezellen» soll den Herstellungsprozess energiesparender gestalten. Der bei weitem energieintensivste Schritt bei der Herstellung einer Lithium-Ionen-Batteriezelle ist die Trocknung der Batterie-Elektrode nach der Beschichtung. Durch eine trockene Elektrodenbeschichtung fiele dieser Schritt weg, was zu erheblichen Energie- und Kosteneinsparungen führen würde. Der Empa-Forscher Corsin Battaglia leitet dieses Teilprojekt.

Im Teilprojekt «Nachhaltiges Geschäftsmodell» entwickeln Experten der Empa und der Universität St. Gallen zusammen mit weiteren Partnern ein tragfähiges Business-Model für ein nachhaltiges Batterierecyclingsystem. Dafür untersuchen sie unter anderem die ökologischen und sozialen Auswirkungen der anderen Teilprojekte. Mit Blick auf die gesamte Wertschöpfungskette sollen geeignete, wirtschaftlich vorteilhafte Geschäftsmodelle zur Umsetzung dieser Innovationen identifiziert, bewertet und evaluiert werden. Der Empa-Forscher Roland Hischier leitet gemeinsam mit Merla Kubli von der Universität St. Gallen dieses Teilprojekt.

 

CircuBAT: Beschrieb der Teilprojekte

Teilprojekt 01: Materialrückgewinnung
Lithium-Ionen-Batterien am Ende ihrer Lebensdauer müssen entsorgt werden. Nach heutigem Standard handelt es sich dabei um einen energieaufwendigen Prozess, bei dem nur geringe Anteile der Materialien im Inneren der Batterie rückgewonnen werden können. Das Teilprojekt 01 verfolgt daher das Ziel, ein von Kyburz Switzerland entwickeltes Recyclingverfahren, bei dem die aktiven Materialien im Wasserbad getrennt werden, zu optimieren und weiterzuentwickeln. Dadurch sollen Materialien wie Graphit, Kupfer, Aluminium, Lithium, Mangan, Nickel und Cobalt in bester Qualität rückgewonnen werden, so dass diese verkauft oder für die Produktion neuer Batterien verwendet werden können.

Teilprojekt 02: Herstellung von Batteriezellen
Der bei weitem energieintensivste Schritt bei der Herstellung einer Lithium-Ionen-Batteriezelle ist die Trocknung der Batterie-Elektrode nach der Beschichtung. Durch eine trockene Elektrodenbeschichtung fiele dieser Schritt weg, was zu erheblichen Energie- und Kosteneinsparungen führen würde. Ein Verfahren zur trockenen, lösungsmittelfreien Elektrodenbeschichtung zu entwickeln, ist Ziel des zweiten Teilprojekts. Entscheidend dafür ist die Entwicklung eines innovativen Polymerbindemittels, das sich für die trockene Elektrodenbeschichtung eignet und eine langfristige Stabilität der Lade- und Entladezyklen gewährleistet. Zudem soll das Bindemittel wasserlöslich und biologisch abbaubar sein, damit es mit dem im Teilprojekt 1 entwickelten Recyclingverfahren kompatibel ist.

Teilprojekt 03: Nutzung neuer Batterien
Das dritte Teilprojekt befasst sich damit, datenbasierte Strategien und Technologien zu entwickeln, um die Lebensdauer von Lithium-Ionen-Batterien in der ersten Anwendung zu maximieren. Ein standardisiertes Datenmodell soll ausserdem eine schnelle und kostengünstige Entscheidung darüber ermöglichen, wann und ob die Batterie von der ersten zur zweiten Nutzung übergehen soll oder ob sie direkt recycelt wird. Für die Modelle werden Daten verwendet, welche die Umsetzungspartner bereits über mehrere Jahre aufgezeichnet haben. Diese Daten werden analysiert, um auf Big-Data- und auf maschinellem Lernen basierende Modelle zur Beschreibung der Batteriealterung zu entwickeln. Im Verlauf des Projektes werden die optimierten Strategien an E-Bikes der Marke Thömus, PKWs der Schweizer Sharing-Plattform Mobility und einem E-LKW angewandt und getestet.

Teilprojekt 04: Zweitnutzung von Antriebsbatterien aus Fahrzeugen in der Elektrizitätsversorgung
Wird eine gealterte Lithium-Ionen-Batterie als Antriebsbatterie in einem Elektrofahrzeug den Anforderungen nicht mehr gerecht, kann sie oftmals weiterhin als stationärer Energiespeicher in der Stromversorgung von Gebäuden verwendet werden. Wie sich das am besten umsetzen lässt, ist der Fokus des Teilprojekts 04. Dabei gibt es drei zentrale Aspekte, welche berücksichtigt werden müssen: Da ältere Batterien ein grösseres Sicherheitsrisiko darstellen, muss gewährleistet werden, dass bei einer Second-Life-Anwendung keine Gefahr besteht für die Gerätschaften, das Betriebspersonal oder die Umwelt. Zudem werden geeignete Stromrichter benötigt, welche zum Teil noch entwickelt werden müssen. Und da die bereits gebrauchten Batterien voraussichtlich häufiger ausgewechselt werden müssen, muss das Gehäuse des Energiespeichers einen einfachen Austausch der Batterien ermöglichen.

Teilprojekt 05: Batteriebetrieb während Zweitnutzung in der Elektrizitätsversorgung
Das fünfte Teilprojekt will den Markt für Second-Life-Batterien unterstützen, in es eine bessere Lösung für die zeitintensive und kostspielige Charakterisierung der Batterien sucht. Konkret verfolgen die Forschenden zwei Ziele: Erstens soll ein geeigneter Modellierungsrahmen für die Bestimmung der Alterungsmechanismen von gebrauchten Lithium-Ionen-Batterien entwickelt werden, die für die Bereitstellung von Stromnetzdiensten wiederhergestellt werden. Zweitens soll dieser Rahmen genutzt werden, um das Design und die Kontrolle von Second-Life-Batterien im Versorgungsbereich zu optimieren.

Teilprojekt 06: Demontage und Komponentenrückgewinnung
Batterien aus Elektrofahrzeugen altern mechanisch wie auch chemisch. Damit sie recycelt oder Teile davon wiederverwertet werden können, müssen sie aufwändig von Hand auseinander gebaut werden. Da die Batterien nicht dafür konzipiert sind, weiter als bis zur Modulebene zerlegt zu werden, sind Reparaturen auf Modul- und Zellebene heute kaum möglich. Bei einer ungleichmässigen Alterung der einzelnen Zellen führt dies zu einer vorzeitigen Ausmusterung der Antriebsbatterie, obwohl der Zustand vieler Zellen dafür noch ausreichend wäre. Aus diesem Grund sollen innerhalb des sechsten Teilprojekts Methoden entwickelt werden, dank denen Lithium-Ionen-Batterien bis auf Zellebene zerlegt, repariert und weiterverwendet werden können. Zusätzlich sollen Richtlinien für das Design von Batteriemodulen erstellt werden, welche die Wiederverwendung einzelner Zellen ermöglichen und das Recycling von Batterien erleichtern.

Teilprojekt 07: Nachhaltiges Geschäftsmodell
Das siebte Teilprojekt beschäftigt sich mit den Rahmenbedingungen für die erfolgreiche Umsetzung eines nachhaltigen, zirkulären Geschäftsmodells für Batterien aus der Elektromobilität. Dafür werden in enger Zusammenarbeit mit den Partnern aus den technischen Teilprojekten Geschäftsmodelle für die gesamte Wertschöpfungskette entwickelt sowie Nachhaltigkeits-Hotspots und Hebelpunkte identifiziert. Mit Blick auf die gesamte Wertschöpfungskette werden zudem geeignete, nachhaltige und wirtschaftlich vorteilhafte Geschäftsmodelle zur Umsetzung dieser Innovationen identifiziert und anhand von empirisch unterstützten Simulationsmodellen bewertet und evaluiert.