Campus ETH Hönggerberg – von innen nach aussen

Der Albert Steiner-Garten aus der ersten Bauetappe des Campus Hoenggerberg wird bestehen bleiben. Foto: Manuel Pestalozzi
Der Albert Steiner-Garten aus der ersten Bauetappe des Campus Hoenggerberg wird bestehen bleiben. Foto: Manuel Pestalozzi

Der Campus der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich (ETH) auf dem Hönggerberg ist frei zugänglich und besitzt eine gute Durchwegung. Derzeit geschieht dort viel. Ein Informationsanlass der ETH mit den Quartiervereinen wagte sich an eine Auslegeordnung.
Text: Manuel Pestalozzi

 

Der Hönggerberg liegt etwas entrückt auf einem Bergrücken zwischen zwei grösseren Waldstücken, rund viereinhalb Kilometer nordwestlich von Zürichs Zentrum. Auf der grünen Wiese angelegt, wuchs hier ab den 1960er-Jahren ein Campus mit diversen Institutsgebäuden heran. Ab der Jahrtausendwende setzte ein energischer Wachstumsschub ein, der bis heute anhält. Die Bevölkerung der angrenzenden Stadtteile Affoltern und Höngg beobachtet die Entwicklung mit Interesse, bisweilen auch mit Argwohn. Für Interessierte organisierte die ETH Zürich gemeinsam mit den Quartiervereinen der genannten Quartiere einen so genannten Dialoganlass, an dem über das aktuelle Geschehen und die mittelfristigen Perspektiven informiert wurde. Die Hochschule nutzte die Gelegenheit, ihre Pläne einer interessierten Öffentlichkeit näher zu bringen. Bei feuchtkalter Witterung erwies sich das hochschuleigene, 2016 eingeweihte Restaurant «Bellavista» an der nach Affoltern orientierten Hangkante als idealer Treffpunkt für den gut besuchten Anlass.

Kritische Äusserungen der Besucher
Die Präsidentin des Quartiervereins Affoltern und ihr Kollege aus Höngg legen in einführenden Kurzreferaten ihr persönliches Verhältnis zum Campus dar. Stolz und kritisch gucke man zum Hügelrücken empor, meinte Pia Meier aus Affoltern, das angedachte Hochhaus von mehr als 80 Metern, das unweit des «Bellavista» in die Höhe schiessen soll, sei aber eine «Machtdemonstration der ETH». Auch würde man sich wünschen, bei der Gestaltung von Grünräumen auf dem Campus mehr mit einbezogen zu werden. Alexander Jäger aus Höngg konstatierte wertungsfrei, dass sich die Landschaft durch die Bautätigkeit sehr verändert. Kritisch erwähnte er, dass der Bus 80 stark belegt sei und man sich nach den versprochenen Dreigelenk-Fahrzeugen sehnt.

Hannes Pichler hatte die Aufgabe, als Direktor der Abteilung Immobilien der ETH etwas Klarheit zu schaffen. Nach seinen Ausführungen ist das Bau- und Entwicklungsprojekt «Science City» aus dem 2003 weitgehend abgeschlossen. Es brachte eine Verdichtung und machte aus dem Campus eine annähernd quadratische Siedlung, in der sich nun auch Wohnungen für Studierende befinden. Die aktuellen Bautätigkeiten erfolgen nach dem Masterplan «Hönggerberg 2040». Eine weitere Ausdehnung des bebauten Gebietes sieht er nicht vor, jedoch sollen weitere Verdichtungsmassnahmen erfolgen. Denn der Raumbedarf der ETH steigt weiterhin kontinuierlich, Forschungsbedarf in Bereichen wie Quantenphysik oder Informatik erfordern bauliche Entsprechungen. Die Portalgebäude an den Enden der Wolfgang-Pauli-Strasse, der Süd-Nordachse des Campus, seien noch gar nicht in Planung, beruhigte Hannes Pichler das Publikum, dessen Durchschnittsalter mehr als 50 Jahre betrug. Sie sind zwei der die geplanten «Höhenakzente». Der dritte im Bunde, das Welcome Center HWS ist allerdings in Planung, aktuell befindet sich das Projekt in der ersten Stufe eines neuartigen «Design-Build»-Wettbewerbs.

Grosse Vielzahl an geplanten Gebäuden
Aktuell im Bau ist das Gebäude HPQ, es entsteht an der Wolfgang-Pauli-Strasse, an Stelle der beliebten und legendären Atelier-Baracken der Architekturabteilung. Ein wesentlicher Teil des Gebäudes wird unter der Erde liegen, erklärte Hannes Pichler. Bauteile für künftige Quantencomputer sollen dort entstehen, Räume müssen deshalb auch kleinste Erschütterungen verhindern können. Die Wolfgang-Pauli-Strasse soll derweil saniert und für die ersehnten Dreigelenkbusse fit gemacht werden. Bis Ende des Jahrzehnts möchte man diese Projekte fertigstellen.

Ein jüngeres Projekt betrifft den Gebäudetrakt HIL, die zweite Bauetappe auf dem Hönggerberg aus den 1970er Jahren. Er soll sich in ein «Living Lab» verwandeln. ETH-Professuren sollen direkt im weiter betriebenen Gebäude Eingriffe und Konstruktionen erforschen, um das nachhaltige Bauen im Bestand voranzubringen. Im Rahmen dieses Projektes ist auch eine Aufstockung vorgesehen. Das «Living Lab war nicht das letzte Vorhaben, das präsentiert wurde. So entstand in der Summe der Eindruck, dass an allen Ecken und Enden des Campus gebaut und geplant wird. Und dass sich die ETH trotz der schwer überschaubaren Quantität darum bemüht, die Qualität niemals aus den Augen zu verlieren. Pichler erinnerte daran, dass zahlreiche Angebote, insbesondere im neuen Welcome Center HWS, auch für die Allgemeinheit von Interesse sein wird. Trotzdem erhielt man den Eindruck, dass die ETH bei allen Bemühungen, das Äussere zu verinnerlichen, für Aussenstehende ein abstrakter, bisweilen befremdender Elfenbeinturm bleibt. Dass dank der guten Einbindung ins öffentliche Strassen- und Wegnetz eine physische Nähe möglich ist, sollte man vielleicht noch intensiver nutzen, beispielsweise mit mehr Führungen durch einzelne Bereiche.

Wichtiger Informationsaustausch
Der Anlass zeigte eindrücklich, welches Potenzial solche Führungen haben können und wie anregend sich räumliche Erlebnisse und wissenschaftliche Vermittlungsanstrengungen kombinieren lassen. Die Teilnehmenden durften an zwei thematischen Spaziergängen teilnehmen. Der eine brachte ihnen über das Anergienetz die Eingeweide des Campus näher. Der zweite belegte, wie sehr der ETH die Natur und die Nachhaltigkeit am Herzen liegt: Vom niedlichen Wildbienenhabitat ging es zum neuen, sich der Fertigstellung nähernden Rechenzentrum HRZ. Dort ergänzte man Balkenköpfe in der geschlossenen Sichtbetonfassade mit Nistplätzen für Mauersegler und Nischen für Fledermäuse.

Auch auf dem Dach soll demnächst Wohnraum für allerlei Lebewesen geschaffen werden. An einem Fragment der «Ringstrasse», einem Perimeter-Parcours um die «Science City», demonstrierte der Rundgang, wie abwechslungsreich und arbeitsintensiv eine sorgfältig kuratierte Böschungswildnis sein kann.