
Nur ein ganzheitlicher Ansatz, der Gesundheit, Nachhaltigkeit und Resilienz integriert, kann den Herausforderungen im Gebäudesektor begegnen. Zu diesem Ergebnis kommt das Healthy Buildings Barometer 2024, das vom Buildings Performance Institute Europe (BPIE) im Auftrag der Velux Gruppe durchgeführt wurde. Die Studie betont die Dringlichkeit, gesunde Gebäude in den politischen Fokus zu rücken, und formuliert Handlungsempfehlungen für Politik und Wirtschaft.
Seit 2015 veröffentlicht Velux jährlich das «Healthy Homes Barometer»: eine Untersuchung, die den Wohnungszustand in Europa erfasst. 2024 erscheint die Studie neu unter dem Namen «Healthy Buildings Barometer» und dient Entscheidungsträger in Politik und Baubranche als Werkzeug. So skizziert die Studie anhand von fünf Dimensionen einen Leitfaden, der die ganzheitliche Betrachtung von Bau- und Sanierungsvorhaben während der Planung und Prüfung gewährleistet und so die Realisierung gesunder Gebäude ermöglicht. Ausserdem veranschaulicht das Barometer Möglichkeiten für die Analyse und Evaluierung des Gebäudebestandes einzelner Städte, Regionen und ganzer Länder, die unter anderem für politische Entscheidungsprozesse herangezogen werden können.
Das Healthy Buildings Barometer liefert zum ersten Mal eine holistische Definition eines gesunden Gebäudes, die anhand eines Frameworks aus fünf Dimensionen die Auswirkungen von Gebäuden auf die Gesundheit von Nutzern einerseits und Auswirkungen auf das Klima andererseits miteinander verbindet und Wechselwirkungen betrachtet. Gesunde Gebäude haben viele Facetten, die durch die Betrachtung einzelner Merkmale nur unzureichend verstanden werden können. Das Healthy Buildings Framework ist nur mit fünf ineinander liegenden Dimensionen realisierbar: Verbesserung psychischer und physischer Gesundheit, Menschliche Bedürfnisse im Fokus, Nachhaltiges Bauen und Bewirtschaften, Resilienz und Flexibilität und Menschen durch Wissen befähigen. Jede Dimension enthält dabei mehrere Indikatoren, die Stakeholdern helfen zu verstehen, was für gesunde Gebäude wirklich notwendig ist.
Schweiz als Vorreiterin bei der Sanierungsrate
Das Healthy Buildings Barometer betont, dass der Zustand des Gebäudebestandes nur mit einem kohärenten politischen Rahmen verbessert und zukunftssicher gemacht werden kann. Dabei müssen neben Energieeffizienz und Emissionsreduktion auch Parameter für Gesundheit, Innenraumklima und Anpassungsfähigkeit an veränderte klimatische Bedingungen beachtet werden. Um ausserdem den Klimaschutz im Gebäudesektor auf Zielkurs zu bringen, braucht es konkrete und bindende Anforderungen. Die Studie zeigt auf, dass die derzeitige durchschnittliche Sanierungsquote in Europa lediglich 0,2 Prozent beträgt und somit nur einen minimalen positiven Einfluss auf die Klimaziele hat. «In der Vergangenheit lag der Fokus bei Gebäudesanierungen hauptsächlich auf dem Werterhalt und der Verbesserung der Energieeffizienz. Doch in Zukunft werden zwei weitere wichtige Themen an Bedeutung gewinnen», erklärt Urs-Peter Menti, Dozent für Gebäudetechnik und Co-Leiter des Instituts für Gebäudetechnik und Energie (IGE) an der Hochschule Luzern. «Neben dem konsequenten Ersatz fossiler Energieträger durch erneuerbare Energien wird zukünftig auch das Wohlbefinden und die Gesundheit der Nutzer verstärkt in den Vordergrund rücken. Besonders der Sommer wird immer relevanter: Die zunehmend heissen Sommer mit hohen Aussentemperaturen, insbesondere auch in der Nacht, belasten uns Menschen und sind gesundheitlich bedenklich. Daher sind im Neubau und auch im Gebäudebestand gezielte Massnahmen erforderlich, um kurzfristig die Behaglichkeit und langfristig die Gesundheit der Menschen sicherzustellen».
Jetzt Weichen für gesunde Gebäude stellen
Dazu will der Report Denkanstösse für die politische Auseinandersetzung mit Gebäuden liefern, insbesondere in Bezug auf ihre gesundheitlichen Auswirkungen. «Den Fokus auf Gesundheit und Wohlbefinden zu stärken, ist zweifellos eine grosse Aufgabe», so Lars Petersson, CEO der Velux Gruppe anlässlich der Vorstellung des Reports. «Wir müssen uns dem Thema jedoch dringend widmen – immerhin verbringen wir 90 Prozent unserer Zeit in geschlossenen Räumen. Wir müssen heute die Weichen stellen, um dafür zu sorgen, dass kommende Generationen in gesunden Gebäuden leben, lernen, arbeiten, spielen und sich erholen».
«Gesunde Gebäude sind eine Triple-Win-Strategie, die den Menschen in den Mittelpunkt der Transformation zu einer nachhaltigen Gesellschaft stellt. Das Healthy Buildings Barometer bietet Entscheidungsträger:innen einen kohärenten Rahmen, der relevante Parameter zur Festlegung von Prioritäten erfasst», so Oliver Rapf, Executive Director des BPIE.
Tageslicht und Frischluft als zentrales Element bei der Raumgestaltung
Die erste Dimension «Verbesserung der psychischen und physischen Gesundheit» beschäftigt sich unter anderem mit den Faktoren Tageslicht und Innenraumluftqualität. Das Healthy Buildings Barometer zeigt auf, dass rund 30 Millionen Personen in Europa in Gebäuden mit einem Mangel an Tageslicht leben. In der Schweiz beträgt der Anteil der Personen, die ihr Zuhause als zu dunkel beurteilen 7,3 Prozent. Zum Vergleich: 2019 betrug dieser Anteil noch 5,8 Prozent [1]. Tageslicht und Beleuchtung zu optimieren, ist jedoch essenziell, um den visuellen Komfort der Nutzer von Gebäuden in ihrem Alltag sicherzustellen. Die Schweizer Tageslichtnorm SN EN 17037 liefert Richtwerte zur Sicherstellung einer angemessenen Tageslichtversorgung und hat dabei auch gleich noch einen positiven Nebeneffekt auf die Nachhaltigkeit eines Gebäudes. Durch das frühzeitige Einbeziehen von Tageslichtquellen beim Hausbau oder Umbau profitieren nicht nur die Bewohner, sondern auch die Umwelt. «Tageslichtquellen sorgen für deutlich hellere Wohnräume und ein optimales Innenraumklima. Das Licht der Sonne hat aber nicht nur einen starken Einfluss auf unsere Gesundheit und das Wohlbefinden, sondern auch auf unsere Leistungsfähigkeit. Das natürliche Licht steigert die Aktivität vieler Hirnbereiche, schont das Auge und reduziert den Bedarf an künstlichem Licht. Die Norm gilt als Wegbereiter für nachhaltiges Bauen. Als unendliche Ressource sollte Tageslicht in punkto Nachhaltigkeit die erste Wahl sein und leistet, wenn richtig eingesetzt, auch einen wichtigen Beitrag zur verbesserten Energieeffizienz», sagt Silvia Gemperle, Leiterin Energiestrategie bei Gebäudehülle Schweiz.
Zusätzlich zeigen Daten, dass 7,7 Prozent aller Menschen in der Schweiz von Luftverschmutzung, Russ oder anderen Umweltproblemen im Freien betroffen sind. Die Verschmutzung draussen kann jedoch auch die Innenraumluftqualität negativ beeinflussen, da das Eindringen von Schadstoffen stark von der Quelle der Verschmutzung abhängt. Der Einsatz effektiver Lüftungsroutinen und ein erhöhtes Bewusstsein für die Lüftung und Ausstattung von Gebäuden mit passenden Lüftungskonzepten spielen eine wichtige Rolle dabei, die Luft in Innenräumen sauber zu halten und die Nutzer von Gebäuden vor Schadstoffen von ausserhalb zu schützen [2].
Zukunft abhängig von Fachkräften
Die Anzahl der Fachkräfte, die den Wandel des Gebäudesektors vorantreiben könnten, stagniert in den letzten Jahren. So lag die Anzahl der Absolvent:innen im Bereich Architektur und Baugewerbe in der Schweiz drei Jahre in Folge bei etwa 4’600 Personen. Menschen spielen beim Entwurf und Bau gesunder Gebäude die entscheidende Rolle. Um die Herausforderungen, die mit der Transformation des Gebäudebestands, dessen Energieversorgung und urbanen Lebensräumen im weitesten Sinne einhergehen, zu bewältigen, sind entsprechendes Wissen und Fähigkeiten notwendig. Der Indikator «Wissen und Fähigkeiten» aus der fünften Dimension wird mithilfe von Daten zur Anzahl der Absolvent:innen im Bereich Architektur und Baugewerbe analysiert. Der Gebäudebestand muss leistungsstärker und gesünder werden, wobei die signifikante Steigerung der Sanierungsquote helfen würde. Allerdings stagnierte in den letzten drei Jahren die Anzahl der Fachkräfte, die diesen Wandel vorantreiben und unterstützen können in der Schweiz. Für die Sanierungsmassnahmen, die notwendig sind, braucht es auch eine grössere Anzahl an Fachkräften. Eine ähnliche Entwicklung ist auch in anderen Bereichen im Gebäudesektor zu beobachten. Der demografische Wandel wird diesen Trend in Zukunft gar noch beschleunigen [3].
[1] Statistics | Eurostat (europa.eu)
[2] Statistics | Eurostat (europa.eu)
[3] Statistics | Eurostat (europa.eu)
Velux Schweiz AG
Die Velux Schweiz AG mit Sitz in Aarburg ist ein Unternehmen der internationalen Velux Gruppe. Der weltweit grösste Hersteller von Dachfenstern verfolgt die Vision, mit Hilfe von Tageslicht und frischer Luft bessere Lebensbedingungen unter dem Dach zu schaffen. International ist die Gruppe mit ca. 12.500 Mitarbeitenden in rund 40 Ländern vertreten. Neben Dachfenstern und vielfältigen Dachfensterlösungen für geneigte und flache Dächer umfasst die Produktpalette unter anderem Sonnenschutz-, sowie Hitzeschutz- und Zubehörprodukte für den Fenstereinbau. Smart-Home-Lösungen und automatisierte Systeme tragen zu einem gesunden Raumklima bei und steigern den Wohnkomfort. Mit Velux Commercial bietet ein eigener Unternehmensbereich Tageslicht-Lösungen speziell für gewerbliche, öffentliche und industrielle Gebäude.
Im Rahmen ihrer Nachhaltigkeitsstrategie hat sich die Velux Gruppe verpflichtet, zukünftige CO2-Emissionen im Einklang mit dem 1,5 Grad-Ziel des Pariser Klimaschutz-Abkommens deutlich zu reduzieren und bis 2041 «lebenslang klimaneutral» zu werden. Dies realisiert sie gemeinsam mit dem WWF durch Waldprojekte, die alle seit Gründung im Jahr 1941 verursachten CO2-Emissionen binden werden. www.velux.ch
BPIE – Buildings Performance Institute Europe
BPIE ist ein europäischer gemeinnütziger Thinktank, der mittels unabhängiger Analysen und Datenerhebungen Forschungsbeiträge für einen klimaneutralen Gebäudebestand leistet und in die politische Debatte auf EU-Ebene sowie in den europäischen Mitgliedsländern einspeist. BPIEs Arbeitsschwerpunkt liegt auf der Evaluierung von Politikinstrumenten und -programmen, sowie der Identifizierung technologischer Lösungen und sozialer Innovationen zur Verringerung des Energieverbrauchs und zur Förderung von erneuerbaren Energien im europäischen Gebäudesektor. Darüber hinaus rückt BPIE die Bedeutung von gesundem Wohnraum (healthy homes) sowie die Notwendigkeit einer Lebenszyklusbetrachtung in den Vordergrund. Letztere ist nötig, um die EU-Klimaziele zu erreichen, Dekarbonisierungspotenziale in der Industrie aufzuzeigen und Nachhaltigkeit entlang der gesamten Wertschöpfungskette zu verankern. Neben seinem Hauptsitz in Brüssel unterhält das Institut seit 2014 auch ein weiteres Büro in Berlin – womit ein besonderer Fokus auf die deutsche, gebäuderelevante Politikentwicklung einhergeht. www.bpie.eu