«Was sich die EU wünscht, hat die Schweiz schon erreicht»

GebäudeKlima Schweiz: Marktbericht 3. Quartal 2024

Günther Köb ist Leiter Produktmanagement Brennstoffe bei Hoval und vertritt GebäudeKlima Schweiz in europäischen Gremien. Foto: Hoval
Günther Köb ist Leiter Produktmanagement Brennstoffe bei Hoval. Foto: Hoval

Das vierte Quartal in Folge ist der Wärmepumpenabsatz rückläufig. Auch der Wärmeerzeugermarkt gesamthaft dürfte 2024 schrumpfen. Damit sei die Schweiz keine Ausnahme, sagt Günther Köb von Hoval. Er vertritt den Hersteller- und Lieferantenverband GebäudeKlima Schweiz in europäischen Gremien und ordnet die aktuellsten Marktzahlen länderübergreifend ein.

Auch im dritten Quartal 2024 sind die Absatzahlen von Wärmepumpen in der Schweiz im Vergleich zum Vorjahr 29 Prozent im Minus. Das zeigen die Marktzahlen von GebäudeKlima Schweiz, dem bedeutendsten Schweizer Hersteller- und Lieferantenverband der Heizungs-, Lüftungs- und Klimatechnik. Gleichzeitig nahm der Absatz von Öl- und Gaskesseln um 27 Prozent zu. Gesamthaft zeichnet sich ein schrumpfender Wärmeerzeugermarkt für das Jahr 2024 ab. Nicht nur in der Schweiz, wie Günther Köb weiss. Er ist Leiter Produktmanagement Brennstoffe bei Hoval und vertritt GebäudeKlima Schweiz in europäischen Gremien. «In Deutschland ist der Wärmeerzeugermarkt in den ersten sechs Monaten um fast die Hälfte eingebrochen, die Wärmepumpen um 54 Prozent. In Frankreich verzeichnen die Wärmepumpen ein Minus von 46 Prozent, die Gasheizungen jedoch ein Plus von 16 Prozent.»

Hohe Strompreise, tiefe Ölpreise
Ein Grund für den rückläufigen Gesamtmarkt sieht Günther Köb im vorangegangenen Boom. Nach den Lieferverzögerungen während der Coronakrise habe der Grosshandel im letzten Jahr die Lager gefüllt. «In Deutschland wurden 1,4 Millionen Wärmeerzeuger ausgeliefert, obwohl die Kapazität des dortigen Installationsgewerbes auf jährlich zirka 800’000 Installationen beschränkt ist.» Das habe bei den Herstellern zu überhöhten Absatzzahlen im Jahr 2023 geführt und nun zu sehr tiefen Absätzen im 2024, weil die Lager zuerst wieder abgebaut würden. Gleichzeitig stocke der Wechsel von fossil zu erneuerbar. Primär führt Günther Köb dies auf die Energiepreise zurück. «Das Verhältnis von einem Drittel Strom und zwei Drittel Umgebungswärme bei den Wärmepumpen ist stark in den Köpfen verankert. Vereinfacht gesagt darf der Strompreis nicht mehr als dreimal so teuer wie Öl und Gas sein, damit sich ein Wechsel überhaupt lohnt. Das ist bei Strompreisen von über 30 Rappen pro Kilowattstunde und Ölpreisen von 10 Rappen pro Kilowattstunde nicht gegeben.» Auch wenn weitere Faktoren wie etwa die Wartung bei dieser Rechnung ausgeblendet würden, halte dies kostensensible Kundschaft von einem Systemwechsel ab.

Vorübergehende Baisse
Für Günther Köb zeigt diese Entwicklung, wie entscheidend Anreize oder gesetzliche Vorgaben für die Energiewende sind. «Grossbritannien ist mit einem Plus von 16 Prozent bei den Wärmepumpen im ersten Halbjahr 2024 zum Beispiel eine grosse Ausnahme. Der Grund dafür ist ein System, bei dem ‹grüne Gebäude› höher bewertet werden.» Auch in anderen europäischen Ländern würden solche Marktanreize, Fördermassnahmen und neue Gesetze den Absatz erneuerbarer Systeme in den nächsten Jahren aber wieder antreiben, ist Günther Köb überzeugt. Das sei auch nötig, denn aktuell machen etwa in Deutschland die Wärmepumpen erst rund ein Viertel des Marktes aus. In der Schweiz hingegen ist der Anteil erneuerbarer Heizsysteme bereits über dreimal so gross. «Was sich die EU wünscht, hat die Schweiz also schon erreicht», sagt Günther Köb. Zwar weisen die fossilen Systeme auch hierzulande wieder steigende Verkaufszahlen auf. Die häufige Wahl von günstigeren Wandgeräten bei Gasheizungen deute aber auf kurzfristige Lösungen und damit nur eine vorübergehende Baisse bei den Erneuerbaren hin.

Herausfordernde Situation für Hersteller
Trotzdem ist die Situation nicht einfach für die Hersteller. Sie hätten ihre Aufgaben gemacht und viel in den Ausbau der Wärmepumpenproduktion investiert, sagt Günther Köb. «Jetzt steht mancherorts Kurzarbeit an.» Auch die Planung für die nächsten Jahre, die sich etwa auf die Bestellung bei Zulieferern auswirke, sei komplex. «Wir rechnen aktuell damit, dass sich der Gesamtmarkt bis in fünf Jahren wieder auf früherem Niveau einpendelt.» Gleichzeitig würden die jetzigen Energiepreise günstigen Wärmepumpenanbieter aus Asien in die Hände spielen. «Hausbesitzende müssen sich aber bewusst sein, dass wir mit unseren Produkten eine Komplettlösung inklusive dichtem Servicenetz anbieten», betont Günther Köb. Zudem gebe es qualitativ grosse Unterschiede zwischen einzelnen Geräten, zum Beispiel wenn es um die Lärmemissionen gehe. «Ich hoffe deshalb nicht nur, dass sich der Wärmemarkt bald erholt. Sondern auch, dass bei der Energiewende weiterhin auf Qualität gesetzt wird. In der Schweiz wie in Europa.»

Marktzahlen GebäudeKlima Schweiz
Der Branchenverband GebäudeKlima Schweiz erfasst regelmässig Absatzzahlen und vergleicht die Entwicklungen. Im dritten Quartal 2024 entwickelten sich die Zahlen im Vergleich zum gleichen Zeitraum im Vorjahr wie folgt:

Kessel Öl/Gas:                          + 27 %

Brenner:                                     +  1 %

Wärmepumpen:                         – 29 %

Holzheizungen:                          –  7 %

Solar:                                         – 27 %

Wassererwärmer/Speicher:     – 15 %

 

GebäudeKlima Schweiz

GebäudeKlima Schweiz ist der bedeutendste Schweizer Hersteller- und Lieferantenverband der Heizungs-, Lüftungs- und Klimatechnik. Die Mitglieder sind mehrheitlich Systemanbieter und unterhalten gesamtschweizerische Verkaufs- und Servicenetze. Als «Stimme der Gebäudetechnik-Industrie» bringt GebäudeKlima Schweiz die Meinung der Industrie zu aktuellen Themen in die politische Diskussion mit ein, verhandelt mit Behörden und Verbänden, engagiert sich für optimale Rahmenbedingungen für die Schweizer Gebäudetechnik-Industrie, übernimmt eine wichtige Rolle in der Aus- und Weiterbildung und wird durch den branchenübergreifenden Austausch unter den Mitgliedern zu einem wichtigen Innovations- und Kompetenzzentrum.  www.gebaeudeklima-schweiz.ch