Mit der Energie-Innovation, die in enger Kooperation zwischen der Hochschule Luzern und dem Ostschweizer KMU Matica entwickelt wurde, lässt sich überschüssiger Sommerstrom von Photovoltaik-Anlagen durch ein thermochemisches Verfahren verlustfrei speichern und im Winter zum Heizen von Gebäuden nutzen. Die SeasON-Demonstrationsanlage ging Ende November 2024 in der Tierköpersammelstelle der Stadt Frauenfeld in Betrieb.
Die Photovoltaik-Anlage (PV-Anlage) auf dem Dach der Tierkörpersammelstelle (TKS) auf der Grossen Allmend weist eine Jahresleistung von 38 Kilowatt-Peak (kWp) auf und wird von Thurplus betrieben. Im Dachraum des im Frühjahr 2023 eingeweihten Gebäudes ist nun die erste SeasON-Demonstrationsanlage installiert und erfolgreich in Betrieb genommen worden.
Eine zukunftsweisende Langzeit-Speichertechnologie
Als Speichermedium dient SeasON Natronlauge. Sie wird im Sommer mit überschüssigem Strom der PV-Anlage beladen, indem ihr das Wasser entzogen wird. Die so konzentrierte Natronlauge und das abgeschiedene Wasser lassen sich bei Raumtemperatur bis im Winter je in separaten Tanks speichern respektive lagern. Im Winter wird die konzentrierte Lauge mit dem abgeschiedenen Wasser wieder verdünnt. Konkret nimmt die Lauge das Wasser auf, das in dem geschlossenen System mit Hilfe von Niedertemperaturwärme verdampft wird. Der thermochemische Prozess setzt sowohl die Kondensationswärme des Wasserdampfes als auch die Mischungswärme bei erhöhter Temperatur frei. Der Massen- und Wärmetauscher arbeitet somit als Sorptionsspeicher-Wärmepumpe (SSWP) und stellt praktisch ohne zusätzliche elektrische Energie Heizungswärme bereit. Der Speicherwirkungsgrad beträgt bis zu 95 Prozent.
«SeasON löst gleich mehrere Herausforderungen der Energiewende und fördert nachhaltig effizientes Energiemanagement», hebt Benjamin Fumey, Leiter der Forschungsgruppe CC Thermische Energiesysteme und Verfahrenstechnik am Institut für Maschinen- und Energietechnik der Hochschule Luzern – Technik & Architektur, hervor. Aus Sicht des Anlagenbetreibers erhöht das System den Eigennutzungsgrad der PV-Anlage, dämpft Energiepreisschwankungen und reduziert CO2-Emissionen. Darüber hinaus glättet SeasON als Langzeit-Energiespeicher saisonale Schwankungen im Stromnetz (Peek Shaving), entlastet dementsprechend das Stromnetz und erfordert keinen Netzausbau. Neben überschüssigem Sommerstrom kann SeasON ebenso verlustfrei Abwärme aus Industrieprozessen und von Rechenzentren speichern und für das Heizen von Gebäuden im Winter nutzen. Abhängig von den Betriebstemperaturen erreicht SeasON eine Energiedichte von rund 300 kWh/m3 und damit eine bis zu sechsfach höhere Kapazität als ein Warmwasserspeicher.
Erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Wirtschaft
Für SeasON haben die Hochschule Luzern und der Industriepartner Matica, der seit über 30 Jahren Wassererwärmer sowie Wärme- und Kältespeicher herstellt, zusammengespannt. «In der Entwicklung von SeasON haben wir uns gegenseitig bedingt und gleichzeitig eine Win-Win-Situation zwischen Forschung und Praxis geschaffen», betont Marc Lüthi, CEO der Matica. Die Planung der Demonstrationsanlage für die TKS Frauenfeld unterstützte das Frauenfelder Ingenieurbüro Novus Engineering. Als Förderpartner haben das Pilot- und Demonstrationsprogramm des Bundesamts für Energie BFE, die EKT Energiestiftung, die Stadt Frauenfeld, der Energiefonds der Stadt Frauenfeld sowie die Klimastiftung Schweiz die Realisierung des Projekts ermöglicht.
Bereits im Bau ist eine zweite SeasON-Pilotanlage, die in der neuen Zustellstelle der Post im thurgauischen Kaltenbach installiert wird. Das Flachdach des Neubaus ist mit einer PV-Anlage von 1000 m2 ausgestattet, die eine Leistung von 215 kWp aufweist und 33 Tonnen CO2 pro Jahr einspart. Die Inbetriebnahme erfolgt Anfang 2025. Eine dritte Demonstrationsanlage wird in einer Wohnsiedlung im deutschen Ruhrgebiet realisiert. Vonovia, Deutschlands grösster Wohnraumanbieter unterstützt seine Mieter aktiv dabei, Energie und Heizkosten zu sparen. Während Vonovia im Rahmen des Pilotprojekts die skalierte Einsetzung in seinem Portfolio testen will, möchte Matica daraus finale Erkenntnisse für die Serienproduktion im Bereich der Sanierung von Wohnliegenschaften gewinnen.