Smartphone-Navigation für Gebäude

Nahtlos zwischen draussen und drinnen navigieren, das wollen die TU-Forscher Daniel Fross (links) und Marcel Putsche (rechts-hinten) um Dr. Marko Rössler. Foto: TU Chemnitz/Jacob Müller
Nahtlos zwischen draussen und drinnen navigieren, das wollen die TU-Forscher Daniel Fross (links) und Marcel Putsche (rechts-hinten) um Dr. Marko Rössler. Foto: TU Chemnitz/Jacob Müller

Die Technologie zur Navigation ausserhalb von Gebäuden ist in der Breite etabliert und verfügbar. Bisher gab es aber noch eine grosse technische Hürde, die Navigation von draussen nahtlos im Innern eines Gebäudes fortzusetzen. Denn während die Menschen draussen per Satellit von A nach B geleitet werden, gibt es diese Technik in Gebäuden nicht – bis jetzt.

 

Ein Forscherteam der Professur Schaltkreis- und Systementwurf der Technischen Universität Chemnitz hat die letzte technologische Hürde für ein Indoor-Navigationssystem genommen: «Wir holen die Satelliten ins Gebäude», sagt Marko Rössler. Er ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter an dieser Professur und hat gemeinsam mit seinen Kollegen die «SatLets» genannten Mini-Satelliten für die Navigation im Gebäude entwickelt. Damit soll der nahtlose Übergang von der Outdoor- zur Indoor-Navigation gelingen: «Wir nennen diese bei uns entwickelte Navigation ‹Seamless Travel›. Damit übertragen wir das Prinzip der Outdoor- auf die Indoor-Navigation», sagt Rössler.

Hochsynchrones Zeitverständnis zwischen allen Komponenten
Damit die nahtlose Navigation gelingt, braucht es im Grossen und Ganzen drei Dinge: Einen energiesparenden Mikrochip für mobile Geräte und einen Algorithmus, der die Positionssignale verarbeitet und so eine sehr genaue Lokalisierung in Gebäuden ermöglicht. Hinzu kommen Satelliten, die die Positionssignale senden. Sowohl den Chip als auch den Algorithmus entwickelten Rössler und sein Team im Rahmen des vom deutschen Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Verbundprojektes «FIND-IT – Kompetenzplattform Indoor-Positionierung und Logistik». Die Gebäude-Satelliten «SatLets» komplettieren den Aufbau und ermöglichen die Erfassung von Personen und Gegenständen im Raum. Was  noch fehlte, war ein gemeinsames Zeitverständnis zwischen alle Komponenten.

«Für das Zusammenspiel zwischen Chip, Algorithmus und Satelliten im Gebäude mussten wir ein hochsynchrones Zeitverständnis zwischen den SatLets im Nanosekunden-Bereich herstellen», erläutert Rössler. Das sei notwendig, weil die Positionsbestimmung im Gebäude über die Vermessung der Funkwellen erfolge, die sich mit Lichtgeschwindigkeit ausbreiten. In GPS-gestützten Systemen erfolge das über Atomuhren, in den SatLets des TU-Teams hingegen «haben wir das über einen eigens kreierten Algorithmus gelöst.» Denn ohne diese exakten Daten funktioniere die Echtzeit-Navigation nicht. Aktuell läuft die Vorbereitung zur Patentanmeldung des Algorithmus.

«Mit unserer Technologie ist es jetzt möglich, die GPS-Satellitennavigation ins Gebäude zu holen. So werden innovative Anwendungen möglich, die den Alltag vieler Menschen bereichern werden», ist sich Rössler sicher. Darunter zählt zum Beispiel nach einer Bahnreisebuchung die Navigation von zu Hause ans richtige Gleis und von dort bis zum reservierten Platz im Zug. Beispielsweise können sich auch Bibliotheksnutzer bis zum Regal lotsen lassen, in dem sich das gewünschte Buch befindet – auch über mehrere Etagen hinweg. Viele weitere Anwendungen, etwa das Finden von Produkten in Super- oder Fachmärkten, sind denkbar.

Nahezu unbegrenzte Skalierbarkeit – Schutz der Privatsphäre
Sie alle eint zudem eine weitere Besonderheit des Projektes: «Das Besondere an unserem Ansatz ist bei Vorliegen der technischen Voraussetzungen eine nahezu unbegrenzte Anzahl an Nutzern und der Schutz der Privatsphäre durch die Positionsbestimmung auf dem Gerät des Nutzers», macht Rössler deutlich. Ausserdem wolle das Chemnitzer Forschungsteam Service- und Sicherheitsfunktionen integrieren. So könne ein Notruf mit der exakten Position auch in Gebäuden abgesetzt, die eigene Position mit Freunden und Familie geteilt oder Essens- und Getränk-Lieferungen bis zur Wohnungstür im Gebäudeinnern navigiert werden.

Es ist eine Technologie, die ähnliches Innovationspotential beinhaltet wie die Outdoor-Navigation. Gegenwärtig integrieren Smartphone-Hersteller die Technologie bereits in die hochpreisigen Gerätevarianten. Nach einer positiven Begutachtung der Technologie im September 2020 erhielt das Team im Dezember 2020 die Förderempfehlung einer Expertenjury im Rahmen des EXIST-Programms des deutschen Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie, um den Markteintritt vorzubereiten.