Für die Siedlungsentwicklung bieten Brachen grosse Potenziale. Diese nutzt man in Arlesheim und baut ein Kompetenzzentrum für die Industrie 4.0. Die Arealentwicklung wird auch als Ideenlabor genutzt, um die Chancen der Digitalisierung für die Bau- und Immobilienwirtschaft zu zeigen.
Urbane Lebensqualitäten sind gefragt: Drei Viertel der Menschen in der Schweiz wohnen und arbeiten in Städten oder Gemeinden der städtischen Agglomerationen. Der Trend ist ungebrochen, und die Siedlungsfläche dehnt sich immer weiter aus. Um dem entgegenzuwirken, wird eine Siedlungsentwicklung nach innen angestrebt. Bevor unverbrauchtes Bauland beansprucht wird, sollen schlecht genutzte Bauzonen, Baulücken und Brachen verdichtet werden.
Oft sind die Standorte günstig gelegen, weshalb die unterschiedlichen Formen von Brachen eine wichtige Nutzungsreserve darstellen. Daher ist es nicht erstaunlich, dass zahlreiche der 350 ungenutzten Areale, die das Bundesamt für Raumentwicklung 2008 in einer Statistik auflistet, mittlerweile zwischen- oder umgenutzt sind. Dass das Potenzial für die Revitalisierung von Brachen ungebrochen ist, zeigt der Entwicklungsatlas von Wüest Partner. Dieser listet 2015 über 700 Areale auf, die aufgrund von Fläche und Gestaltungsoptionen attraktiv sind. Die Analyse der Makrolage zeigte, dass 60 Prozent in Gemeinden liegen, deren Standortqualität als sehr gut oder gar exzellent eingeschätzt wird. Die Umnutzung der bebauten Entwicklungsflächen würde Wohnraum für 288 000 Personen bieten, und zusätzlich liessen sich 257 000 Arbeitsplätze realisieren. Gesamthaft, so die damalige Auswertung, würden alle erfassten Entwicklungsgebiete nach Zürich die zweitgrösste Stadt der Schweiz bilden.
Anspruchsvolle Revitalisierung
Doch die funktionale wie wirtschaftliche und ökologische Aufwertung von Arealen ist anspruchsvoll, denn jede Entwicklung ist ein Einzelfall. Der in all seinen Phasen dynamische Revitalisierungsprozess kann sich jahrelang hinziehen. Die Gründe hierfür sind vielfältig. Denn auch wenn Makro- und Mikrolage Erfolg versprechend sind, können Altlasten, Denkmalschutzauflagen, ungünstige Bauökonomie sowie behördlicher oder privater Widerstand eine Umnutzung kompliziert machen. Die Folge: Neubauprojekte werden lieber auf der grünen Wiese realisiert.
Dennoch besitzen Arealentwicklungen gute Erfolgschancen. In der Schweiz gibt es zahlreiche Projekte, die dies belegen. An Standorten mit Bevölkerungswachstum sorgen innovative Projekte für den benötigten Wohnraum. In Gebieten mit einer expandierenden Wirtschaft entstehen zeitgemässe Arbeitsplätze. Und in gut erschlossenen Gemeinden beleben Retail-Projekte die Region.
Egal, welche Ziele mit einer Entwicklungsfläche verfolgt werden, eines haben alle Projekte gemeinsam. Der Erfolg hängt nicht nur von Faktoren wie Rentabilität, einfacher Erschliessbarkeit oder dem Vermarktungspotenzial ab. Immer mehr Menschen streben Nachhaltigkeit an. Dazu gehören Orte, die vielfältige Sowie wandelbare Lebens- und Nutzungsformen erlauben. Ebenso gesucht sind gute soziale und funktionale Durchmischung sowie ökologische Nachhaltigkeit. Im Projekt Ananas – Angebotsstrategie für nachhaltig nachverdichtete Städte – empfiehlt das ETH Wohnforum daher als Identifikationspotenzial für neue Lebensräume, unterschiedliche Lebensstile zu berücksichtigen. Diese sind je nach Person von unterschiedlichen Kriterien geprägt.
Kompetenzzentrum für die vierte industrielle Revolution
Die sich in den Lebensstilen widerspiegelnden Bedürfnisse sind nicht zu vernachlässigen, wenn brachliegende Areale als Wirtschaftsstandorte neu entwickelt werden sollen. «Eine zentrale Lage im urbanen Umfeld, gute Verkehrsanbindung mit öffentlichen Verkehrsmitteln und ein positives Gesamtimage zählen zu den Eigenschaften, die revitalisierte Brachen als Arbeitsort attraktiv machen», hält Hans-Jörg Fankhauser, Geschäftsführer von Fankhauser Arealentwicklungen fest. Kombiniert mit zum Beispiel einer sicheren Energieversorgung und einer hohen Dichte an qualifizierten Fachkräften sind ideale Bedingungen für einen modernen Industrie-standort gegeben. Die Gesamtheit von positiven Eigenschaften zieht Unternehmen mit hohen Qualitätsstandards in Bezug auf ihre Corporate Identity ebenso wie technologieorientierte Unternehmen mit wissensintensiven Produktionen sowie Dienstleistungsunternehmen mit einem hohen Fachkräfteanteil an. Über einige der notwendigen Erfolgseigenschaften verfügt das Schoren-Areal in Arlesheim. Unter dem Namen uptownBasel soll 15 Minuten von Basel entfernt bis 2025 ein Kompetenzzentrum für die Industrie 4.0 entstehen. Mit anderen Worten: in Arlesheim soll die Digitalisierung der industriellen Produktion vorangetrieben werden. Damit eng verknüpft sind zum Beispiel das Internet der Dinge, Virtual Reality, Robotertechnologie oder 3D-Druck. Die Grösse des Areals von 70 000 m2 ermöglicht eine ganzheitliche Planung. Für mittlere bis grosse Unternehmen, die im Bereich Industrie 4.0 tätig sind, werden optimale Bedingungen geschaffen.
Dazu werden neue Hallen erstellt und bestehende Gebäude umgenutzt. «Das ehemalige Paketzentrum der Post ist eine Halle, die wir selbst so kaum bauen könnten», fasst Hans-Jörg Fankhauser, der für die Entwicklung von uptownBasel verantwortlich ist, die Vorzüge des Bestandsbaus zusammen. 16 Meter hoch, ohne störende Stützen und mit einer ausserordentlich hohen Tragkraft des Bodens versehen, bietet die Halle ideale Voraussetzungen für die industrielle, robotergestützte Produktion. Das gesamte Kompetenzzentrum wird aus sieben modular aufgebauten Produktionshallen bestehen und durch 35 000 m2 Büroflächen ergänzt werden. «Die Mischung aus Produktion und Büros macht das Projekt ökonomischer», hält Fankhauser fest. Dass das Konzept aufgehen könnte, zeigt die Tatsache, dass für die erste Halle bereits Mieter fest zugesagt haben. Allein der Ankermieter des Gebäudes bringt 350 neue Arbeitsplätze ins Baselbiet.
Ideenentwicklung im virtuellen Raum
uptownBasel widmet sich noch in einem anderen Kontext der Zukunft. Die im Rahmen der Swissbau 2020 präsentierte Sonderschau für digitale Transformation, das Swissbau Innovation Lab, nutzt die Arealentwicklung als Ideenlabor. Am Beispiel dieses realen Projekts wird aufgezeigt, welche Chancen aber auch Herausforderungen die Digitalisierung für die Bau- und Immobilienwirtschaft mit sich bringt. «Ich fände es spannend, eine der Lösungen aus dem Swissbau Innovation Lab tatsächlich umzusetzen», fasst Hans-Jörg Fankhauser seine Hoffnungen an die Kooperation zusammen. Um auszuloten, welche digitalen Lösungen auf dem Areal in Arlesheim infrage kommen, arbeiten seit März 2019 fünf gewerkeübergreifende Arbeitsgruppen an digitalen Fallstudien. Diese fokussieren sich auf baurelevante Ansätze, die entlang des Lebenszyklus einer Immobilie zum Einsatz kommen können. Gleichzeitig berücksichtigen die entstehenden Digital Use Cases Faktoren, die für die Gebäudenutzer von Bedeutung sind. Neben naturnaher Landschaftsarchitektur stehen bei uptownBasel die Nutzung erneuerbarer Energie für die Wärme- und Strombereitstellung, Förderung der Nutzung des öffentlichen Verkehrs, der Elektromobilität als auch des Langsamverkehrs auf der Liste der Anforderungen. Alles Faktoren, die sich imagefördernd auswirken und die individuellen Lebensstile der Arbeitnehmenden berücksichtigen.
Die Ergebnisse der Arbeitsgruppen werden an der Swissbau 2020 im iRoom des Swissbau Innovation Lab inszeniert. Die Besucher der Messe können die einzelnen Projekte bewerten und so das Gewinnerprojekt küren. «Durch die Kooperation mit uptownBasel widmet sich das Swissbau Innovation Lab erstmals einer realen Fragestellung», hält Rudolf Pfander, Messeleiter der Swissbau, fest. «Die Digital Use Cases sind somit keine theoretischen Denkspiele, sondern müssen der Nutzung in der Realität standhalten», betont Pfander die Bedeutung der Fallstudien für die potenzielle Nutzung auch in anderen Arealentwicklungen.
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