Drohne mit Potenzial

 

Elythor, ein Spin-off der Eidgenössischen Technischen Hochschule Lausanne (EPFL), hat eine neue Drohne entwickelt, deren Flügelform sich in Echtzeit an die Windverhältnisse und die Flugposition anpassen kann, was den Energieverbrauch der Drohne reduziert. Ausserdem kann die Position der Flügel verändert werden, so dass die Drohne vertikal oder horizontal fliegen kann. Diese Eigenschaften machen sie zu einem perfekten Kandidaten für die Inspektion von Kraftwerken.

Seit Jahrhunderten sind die Menschen davon fasziniert, wie leicht Vögel durch die Luft gleiten. Ihre instinktive Fähigkeit, den Wind zu ihrem Vorteil zu nutzen, war die Inspiration für Morpho, die neue Inspektionsdrohne von Elythor. Morpho ist ein hybrides, unbemanntes Luftfahrzeug (UAV), das je nach Aufgabe seine Form verändern kann, teils mit Flügeln, teils mit einem Quadcopter. Seine anpassungsfähigen Flügel verlängern die Flugzeit der Drohne und verleihen ihr eine grössere Manövrierfähigkeit. In Kombination mit den eingebauten Sensoren und Kameras kann die Drohne in geschlossenen Räumen genauso gut fliegen wie in der freien Natur, was sie ideal für die Inspektion von Kraftwerken und anderen Infrastrukturen wie Hochspannungsleitungen, Windturbinen, Gaspipelines und Offshore-Ölplattformen macht.

Harry Vourtsis, CEO und Mitgründer and Nathan Müller, Mitgründer von Elythor. Foto: EPFL/Alain Herzog
Harry Vourtsis, CEO und Mitgründer and Nathan Müller, Mitgründer von Elythor. Foto: EPFL/Alain Herzog

Kostenreduzierung um ein Drittel und Verkürzung der Inspektionszeit
Wenn die Drohne auf ihren vier Beinen steht, besitzt Morpho eine  Form, die an eine kleine Rakete erinnert. Das ändert sich jedoch schnell, sobald die Rotoren zu surren beginnen. Dank ihrer Fähigkeit zum Senkrechtstart kann die Drohne auf engem Raum eingesetzt werden und bis auf wenige Zentimeter an ein Gerät heranfliegen und dieses inspizieren, ohne es zu berühren. Sobald die Inspektion abgeschlossen ist, kann Morpho seine Motoren ausschalten und in eine horizontale, aerodynamischere Position drehen und schnell zum nächsten Inspektionsort fliegen. Stösst die Drohne auf dem Weg zum Einsatzort auf starke oder schnell wechselnde Winde, passt sie die Flügelstellung an, um ihre Flugbahn beizubehalten. Bei den richtigen Windverhältnissen kann sie auch gleiten. Das alles spart Zeit bei den Inspektionen, bedeutet aber auch, dass die Drohne länger fliegen kann. «Wir haben berechnet, dass beim Einsatz von Morpho die Zeit und die Kosten einer Drohneninspektion um durchschnittlich 35 Prozent gesenkt werden können», sagt Harry Vourtsis, Mitbegründer und CEO von Elythor. Sobald Morpho den nächsten Inspektionsort erreicht, klappt sie ihre Flügel ein und kehrt in eine vertikale Position zurück, um direkt an die Ausrüstung heranzufliegen.

Asymmetrische Flügelverstellung sorgt für Stabilität bei starkem Wind
«Geflügelte Drohnen haben den Vorteil längerer Flugzeiten, während Quadcopter eine bessere Manövrierfähigkeit aufweisen», sagt Vourtsis. «Wir haben beides kombiniert und ein anpassungsfähiges Flügelsystem hinzugefügt, das den Energiebedarf der Drohne noch weiter reduziert.» Die meisten Starrflügler-Drohnen, die senkrecht starten und landen (VTOL), stellen einen Kompromiss dar: Die Flügel sind klein genug, um die Reibung während des senkrechten Flugs zu verringern, aber gross genug, um während des horizontalen Flugs ausreichend Auftrieb zu erzeugen. VTOL-Drohnen haben ausserdem Probleme beim Starten und Landen bei starkem Wind, da ihre grosse Oberfläche senkrecht zum Wind steht.

Das Flügelsteuerungssystem von Morpho ist das Ergebnis mehrjähriger Forschung am EPFL-Labor für intelligente Systeme und wurde in mehreren wissenschaftlichen Artikeln beschrieben. Das System umfasst Sensoren, die mit einem Softwareprogramm zur Überwachung von Windrichtung und -geschwindigkeit verbunden sind. Nathan Müller, ebenfalls ein Mitbegründer von Elythor, erklärt: «Die Steuerung wählt automatisch aus, ob die Flügel an Ort und Stelle gehalten werden oder sich frei mit dem Wind bewegen, basierend auf der Flugbahn und der effektiven Geschwindigkeit der Drohne sowie auf Änderungen der Windrichtung. Außerdem kann die Fläche der Flügel je nach Windrichtung entweder symmetrisch oder asymmetrisch angepasst werden.»

Die Algorithmen des Steuerungssystems zielen nicht nur darauf ab, den Kompromiss zwischen Luftreibung und Auftrieb zu optimieren, sondern auch den Stromverbrauch zu minimieren. Dies bedeutet, dass die Windströmungen ausgenutzt werden, um die Drohne gleiten zu lassen, oder dass die Flügel asymmetrisch eingestellt werden, um das Gieren –  die Drehung um die vertikale Achse – zu regulieren. Dies sorgt für mehr Stabilität bei starkem Wind.

Quantitative Studien, die im EPFL-Labor durchgeführt wurden, zeigen, dass Morpho eine deutlich bessere Manövrierfähigkeit und Energieeffizienz aufweist. «Unser Design kann den Stromverbrauch um bis zu 85 Prozent reduzieren, wenn die Drohne in der vertikalen Position fliegt», sagt Müller. «Ausserdem verbessert es die Fluglage und Stabilität der Drohne erheblich.» Diese Vorteile bedeuten, dass Morpho Inspektionen in den unterschiedlichsten Wetterbedingungen durchführen kann.

Markteinführung für Ende 2023 geplant
Da Elythor seinen Kunden eine schlüsselfertige Lösung anbieten möchte, entwickelt das Unternehmen auch Software für die Zusammenstellung und Analyse der von Morpho erfassten Daten. «Wir wollen die Inspektionsplattformen revolutionieren», sagt Vourtsis. Heute setzen Kraftwerksbetreiber verschiedene Arten von Drohnen ein, je nachdem, wo sich die zu inspizierenden Anlagen befinden. Und die Anlagen erstrecken sich manchmal über mehrere Kilometer und umfassen komplizierte Strukturen, wie Windturbinen und Sendetürme.

Elythor hat eine beträchtliche Anschubfinanzierung erhalten und plant, seine Drohne in den kommenden Monaten zur Serienreife zu bringen, wobei die Markteinführung für Ende dieses Jahres geplant ist.